Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
auseinander. Das geschah unter Hornblowers Augen, als er sich noch mit seinem Megaphon über die Reling beugte. Eine Sekunde zuvor lag dort noch der beschädigte Rumpf des Loggers, arbeiteten lebende Menschen auf seinem Deck, um die zerschossene Takelage aufzuräumen, in der nächsten blitzten und donnerten die Explosionen, wirbelten Trümmer durch die Luft, wogte stinkender Qualm über einer Statte des Grauens.
Das mußte eine an Land abgefeuerte Granate gewesen sein, offenbar standen dort Haubitzen oder Mörser. Wahrscheinlich war es nur eine jener leichtbeweglichen Feldhaubitzbatterien, die man hierher an die Küste gezogen hatte, um die Landungsfahrzeuge zu decken. Eine ihrer Granaten hatte den Logger getroffen und war in seinem Pulvermagazin detoniert.
Hornblower hatte alles mit angesehen. Als sich der Qualm endlich verzog, waren Bug und Heck des Unglücksschiffes noch über Wasser. Natürlich waren sie vollgelaufen, aber sie schwammen noch, und einige Menschen waren da ebenfalls, die sich inmitten der Trümmer schwimmend an irgendein Wrackstück klammerten.
»Mr. Young, setzen Sie das Heckboot aus und bergen Sie die Leute dort.«
Es war furchtbar, Granaten mit Zeitzünder waren für ein hölzernes Schiff die größte Gefahr, die sich denken ließ, weil ein einziges dieser Geschosse mit Leichtigkeit einen Brand entfachen konnte, der nicht mehr zu löschen war. Wenn man ein solches Risiko um nichts und wieder nichts auf sich nehmen mußte, dann war das, weiß Gott, zum Rasendwerden. Das Boot war schon auf dem Rückweg, als wieder eine Granate heulend über die Hotspur hinwegflog. Hornblower bemerkte, wie sehr sich dieses Heulen von dem einer gewöhnlichen Kugel unterschied - eigentlich hätte ihm das schon eher auffallen müssen. Die Haubitzgranate hatte in ihrer Mitte rundum eine gürtelähnliche Verstärkung, die während ihres Bogenfluges jenes seltsam drohende Geheul verursachte, das er schon bei anderen Gelegenheiten wahrgenommen hatte. Im Augenblick lag er demnach im Feuer der französischen Landarmee. Dabei hatte er mit seiner Hotspur doch in allererster Linie die Aufgabe, die französische Marine zu bekämpfen. Es war geradezu absurd, kostbare Schiffe und erfahrene Seeleute dem Angriff von Landsoldaten auszusetzen, die sich die französische Regierung mit ihren Zwangsaushebungen so gut wie umsonst verschaffte.
Vollendete Narrheit aber war es, diese Schiffe und Seeleute dem Gegner so als Ziel zu bieten, daß sie sein Feuer nicht einmal erwidern konnten. Hornblower trommelte mit seinen behandschuhten Fäusten rasend vor Wut auf den Bezug des Hängemattkastens, vor dem er stand, während Young in dem treibenden Trümmerfeld umherpullte und da und dort einen Überlebenden an Bord nahm. Als er wieder einmal einen Blick nach der Küste richtete, puffte dort eben ein Ballen weißen Qualms empor. Ja, diesmal gab es keinen Zweifel, das war unter allen Umständen eine Haubitze, hatte er doch genau gesehen, wie dieser Mündungsqualm steil nach oben flog, ehe ihn der Wind verwehte. Haubitzen erzielten ja ihre größte Reichweite bei einem Erhöhungswinkel von fünfzig Grad, und am Ende der Flugbahn kamen ihre Granaten mit etwa sechzig Grad Fallwinkel von oben. Die Haubitze, die da eben geschossen hatte, stand wohl hinter einer niedrigen Anhöhe oder irgendwo in einem Graben. Mit dem Glas entdeckte er einen Offizier, der höher stand und offenbar das Feuer des Geschützes zu seinen Füßen leitete.
Jetzt kam wieder dieses heulende Gewimmer der Granate, diesmal schon nicht mehr so hoch. Selbst die Wassersäule, die das Ding hochwarf, als es eintauchte, unterschied sich in Gestalt und Beharrungsvermögen unverkennbar von jenen, die beim Eintauchen runder Kanonenkugeln aufspritzten. Young brachte das Heckboot unter die Taljen und hakte ein, Bush hatte seine Leute klar zum Auflaufen an den Läufern stehen, Hornblower verfolgte das Manöver voller Ungeduld und geriet förmlich in Raserei, wenn es auch nur eine Sekunde lang stockte. Die meisten Überlebenden waren verletzt, einige gräßlich verstümmelt. Er mußte sich persönlich darum kümmern, daß sie gehörig versorgt wurden und schuldete den armen Burschen natürlich einen Besuch, aber das mußte so lange warten, bis die Hotspur dieser unnötig heraufbeschworenen Gefahr entronnen war. »So, Mr. Prowse, gehen Sie jetzt vor den Wind.«
Die Rahen schwenkten knarrend herum, der Rudergänger drehte wirbelnd sein Rad bis zum Anschlag, Und die Hotspur nahm langsam
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