Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
die Brecher sehen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Hornblower. Über den Ärger mit dem Frühstück war ihm wenigstens die aufreibende Spannung erspart geblieben, die ihn jedes Mal befiel, wenn ein entscheidender Tag bevorstand.
Heute galt sein ganzes Denken erst in diesen letzten Sekunden dem Plan, den sein fieberhaft tätiger Geist längst fix und fertig zur Reife gebracht hatte und zu dessen Ausführung jetzt die Befehle zu geben waren.
»Mr. Orrock, haben Sie gute Augen?«
»Äh... ich...«
»Heraus mit der Sprache, können Sie gut sehen oder nicht?«
»Jawohl, Sir.«
»Dann nehmen Sie ein Glas und entern Sie in den Vortopp.
Melden Sie alles, was Sie an Schiffen ausmachen können, während wir die Einfahrt zur Reede passieren. Setzen Sie sich dazu mit dem Ausguckposten in Verbindung.«
»Aye, aye, Sir.«
»Guten Morgen, Mr. Bush, bitte lassen Sie›Alle Mann‹pfeifen.«
»Aye, aye, Sir.«
Nicht zum ersten Mal kam Hornblower dabei jener Hauptmann aus dem Evangelium in den Sinn, der seine Befehlsgewalt mit den Worten umriß: »Wenn ich zu einem meiner Leute sage: komm, so kommt er, und zu einem anderen: geh, so geht er.« In der Royal Navy herrschte genau die gleiche Zucht wie ehedem im römischen Heer. »Nun, Mr. Prowse, wie weit schätzen Sie im Augenblick die Sicht?«
»Zwei Meilen, Sir, vielleicht sogar drei«, gab Prowse zur Antwort. Die Frage hatte ihn überrascht, darum blickte er jetzt prüfend nach der Kimm, um sich auf den Gedankengang des Kommandanten einzustellen.
»Ich möchte lieber sagen vier Meilen«, sagte Hornblower.
»Das kann sein, Sir«, gab Prowse zu.
»Die Sonne steigt, die Luft wird klarer, bald werden wir zehn Meilen Sicht haben. Der Wind ist nördlicher als West. Wir wollen La Parquette ansteuern.«
»Aye, aye, Sir.«
»Mr. Bush, bitte lassen Sie die Bramsegel bergen - und die Untersegel auch, Marssegel und die Vorsegel genügen.«
»Aye, aye, Sir.«
Mit der kleinen Besegelung fiel die Hotspur weniger auf. Bei geringerer Fahrt war auch länger Zeit, Beobachtungen zu machen, während sie die Einfahrt nach Brest überquerten.
»Sonnenuntergang an einem Tag mit klarer Sicht wäre ein besserer Zeitpunkt für uns«, bemerkte Hornblower zu Prowse.
»Wir könnten dann mit der Sonne im Rücken hineinschauen.«
»Jawohl, Sir«, Prowse nickte zustimmend, »Sie haben durchaus recht.«
In seinen schwermütigen Zügen glomm etwas wie Achtung auf, als er das sagte. Er wußte natürlich, daß der Goulet de Brest fast von West nach Ost verlief, dennoch hatte er daraus noch nie irgendwelche Folgerungen oder Pläne abgeleitet.
»Aber wir sind nun einmal hier und haben diese Gelegenheit zu nützen. Wind und Wetter sind uns günstig, es kann Tage dauern, bis wir es wieder so gut treffen.«
»Jawohl, Sir«, sagte Prowse. »Bitte Kurs Ost zu Süd, Mr. Prowse.«
»Aye, aye, Sir.«
Die Hotspur glitt langsam der Küste zu. Das Wetter war wolkig, aber klar, der Horizont weitete sich von Minute zu Minute. Dort lag das Festland Frankreichs, Point de St. Mathieu - Point Matthew - war deutlich auszumachen. Von dort aus wich die Küste wieder zurück und verlor sich allmählich in der Ferne.
»Land in Lee!« rief Orrock aus dem Vortopp. »Das wird das andere Kap sein, Sir«, sagte Prowse. »Ja, Toulinguet«, stimmte ihm Hornblower zu. Dann korrigierte er sofort seine Aussprache und sagte: »Toolingwette«. Vielleicht hatte er Monate und Jahre an dieser Küste zu kreuzen, da wollte er auf keinen Fall riskieren, daß ihn einer seiner Offiziere nicht richtig verstand, wenn er ihm einen Befehl gab.
Zwischen diesen beiden Kaps hatte der Atlantik eine breite Lücke in die wilde bretonische Küste gerissen. In einer der tief ins Land geschnittenen Buchten lag die Reede von Brest.
»Mr. Orrock, können Sie die Einfahrt schon ausmachen?« rief Hornblower.
»Noch nicht, Sir - noch nicht genau.«
Ein Kriegsschiff - ein Schiff des Königs - das eine fremde Küste ansteuerte, hatte auch in Friedenszeiten keinen leichten Stand. Es durfte nicht in fremde Hoheitsgewässer einlaufen (es sei denn bei schwerem Wetter), ohne vorher die Erlaubnis dazu erbeten und erhalten zu haben, es durfte sich vor allem nicht erlauben, in den Bereich eines ausländischen Kriegshafens einzudringen, wenn es nicht einen Austausch ungehaltener Noten zwischen den beteiligten Regierungen heraufbeschwören wollte.
»Wir müssen uns außerhalb der Reichweite der Küstenbefestigung halten«, sagte Hornblower.
»Jawohl, Sir...
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