Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
sich etwa mit dem Bug in die See, weil sie zu vorlastig war, oder saugte sie sich mit dem Heck fest, dann fehlte ihr vielleicht grade im entscheidenden Augenblick die halbe Meile Fahrt, die nötig gewesen wäre, den schwächeren Gegner einzuholen oder dem stärkeren zu entrinnen.
Erst als er auch damit zufrieden war, stieg er, naß bis auf die Haut, wieder an Bord, wo ihn der Erste Offizier am Fallreep erwartete.
»Die Mannschaften sind weggetreten, Sir«, meldete Jones.
»Danke, Mr. Jones, wenn die Decks aufgeklart sind, können Sie Essen ausgeben lassen.«
Hornblower verlor kein Wort über all das Versäumte, er konnte den Mann mit dem Nußknackergesicht ja doch nicht ändern; genug, daß er ihn jetzt wenigstens kannte.
Unten in der kleinen Kajüte war es kalt und dunkel und ungemütlich. Zwei segeltuchbezogene Stühle und ein Tischchen bildeten die ganze Einrichtung des sogenannten Salons, die Schlafkammer war vollständig leer. Die Öllampe am Decksbalken warf ihren matten Schimmer auf die nackten Planken unter seinen Füßen. Hornblower hätte sich wieder seine Gig bestellen können, sie hätte ihn rasch genug die halbe Meile stromab zum Deptford Hard gebracht, wo im›George‹seine Frau und seine Kinder auf ihn warteten. Dort gab es ein prasselndes Kohlenfeuer im Kamin, ein brutzelndes Beefsteak mit Kohl und ein Federbett mit einer Wärmflasche, die die Laken so erhitzte, daß man es kaum darin aushielt. Er zitterte vor Kälte, und die müden Beine schmerzten, darum sehnte er sich doppelt nach der Fürsorge und der Wärme, die ihn dort bei den Seinen erwarteten.
Dennoch wollte er in seiner augenblicklichen Stimmung nichts davon wissen. Lieber aß er frierend das Bordessen, das ihm hastig und lieblos vorgesetzt wurde. Er ließ sich eine Hängematte in die Schlafkammer bringen, kroch hinein und hüllte sich in ein paar klamme Decken. Seit seiner Fähnrichszeit hatte er nicht mehr in einer Hängematte gelegen, sein Rückgrat hatte es verlernt, sich ihrer Form anzupassen. Er war körperlich und geistig so erledigt, daß es ihm nicht einmal gelang, sich an seiner eigenen Haltung innerlich ein wenig aufzurichten.
8. Kapitel
Am nächsten Morgen ging es mit einsetzender Ebbe in See - ohne Abschied von Maria und den Kindern. Das war die Strafe, die er sich auferlegt hatte. Aber war es nicht zugleich eine Rücksichtslosigkeit gegen seine arme zurückgebliebene Frau? Je länger Hornblower darüber nachdachte, desto schärfer ging er mit sich deswegen ins Gericht. Es wurde damit erst besser, als ihn die Schiffsführung voll in Anspruch nahm.
In den Downs ließ sie der Wind im Stich, dafür fiel kalter, undurchdringlicher Nebel ein, so daß nichts anderes übrigblieb als zu ankern, bis Wind und Sicht wieder günstiger wurden.
Hornblower nutzte diesen unfreiwilligen Aufenthalt nach Kräften, um die Besatzung nach der langen Liegezeit in London wieder in Schwung zu bringen. Vom einfachen Segelsetzen und bergen bis zum Streichen und Wiederaufbringen der Stengen wurde jedes erdenkliche Manöver durchexerziert, bis endlich ein frischer West die Nebelschleier vertrieb und die Weiterfahrt erlaubte.
Nun begann eine lange Kreuzfahrt durch den Kanal. Es war ein Glück, daß der Wind nicht genau gegenan stand, sondern allmählich nördlicher drehte, so daß Hornblower über Backbord-Bug immer längere Schläge machen konnte. Endlich hatte er so viel Westlänge gewonnen, wie es die alte Nautikerregel für ausreisende Schiffe verlangte, damit sie vor den gefährlichen Leeküsten Frankreichs und Spaniens in Sicherheit waren. Er konnte also beruhigt abfallen, um mit raumem Wind das Kap St. Vincent anzuliegen.
Die Atropos war ein gutes Schiff. Sie hatte im Kanal eine erstaunliche Höhe herausgesegelt und war dabei so manchem größeren Mitsegler glatt davongelaufen; jetzt war es eine wahre Freude zu sehen, wie sie sich leichtfüßig über die backstags auflaufenden Seen schwang, während sie unter dem Druck aller Segel mit höchster Fahrt auf ihr Ziel zustrebte.
Wenn seine Leute so viel taugten wie das Schiff, überlegte Hornblower, dann war er allen Aufgaben gewachsen, die billigerweise an eine kleine Glattdeckskorvette gestellt werden konnten.
9. Kapitel
Er beobachtete seine Besatzung mit scharfen, kritischen Blicken, als sie beim Einlaufen der Atropos in die Bucht von Gibraltar die Segel barg. Man konnte mit gutem Gewissen behaupten, daß diese Leute gut ausgebildet waren. Nirgends gab es ein Durcheinander, nirgends
Weitere Kostenlose Bücher