Hornblower 05 - Der Kapitän
ihre gebräunte Haut und für die Tatsache, daß sie mit ihren siebenundzwanzig Lebensjahren noch unverheiratet war, obwohl sie eine Reise nach Indien unternommen hatte. Dennoch drückten ihre Züge eine Gemütsruhe aus, die darauf hindeutete, daß sie sich jedenfalls in diesem Augenblick keine Gedanken machte über die Aussicht, eine alte Jungfer zu werden.
Hornblowers Verbeugung beantwortete sie mit einem Lächeln.
»Köstlich ist es, wieder auf See zu sein, Herr Kapitän. Bisher gaben Sie mir keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, daß Sie mich von Panama fortbringen.
Gefangene zu sein war schon schlimm genug, aber als freier Mensch durch die Macht der Umstände festgehalten zu werden hätte mich fast um den Verstand gebracht. Glauben Sie mir, Herr Kapitän, Sie haben meine unauslöschliche Dankbarkeit gewonnen.« Abermals verneigte sich Hornblower.
»Ich hoffe, daß die Dons Ihnen alle Ehrfurcht erwiesen haben, Madame.«
Sie zuckte die Achseln.
»Das taten sie. Aber spanische Manieren können einem auf die Nerven fallen. Ich stand unter der Obhut Ihrer Exzellenz, einer hochachtbaren, aber unerträglich dummen Frau. In Spanisch-Amerika werden die Frauen wie bei den Mohammedanern behandelt. Und erst das landesübliche Essen...«
Die Worte riefen in Hornblower die Erinnerung an das Bankett wach, das er gerade überstanden hatte, und sein Gesichtsausdruck ließ Lady Barbara mitten im Satz abbrechen.
Sie lachte so herzlich, daß Hornblower nicht umhin konnte, mit einzustimmen. »Wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Kapitän?«
Dem Kommandanten kam die Einladung ungelegen. Seit der Übernahme der Fregatte hatte er kein einziges Mal an Deck seines eigenen Schiffes auf einem Stuhl gesessen, und Neuerungen im Bereich seiner Gewohnheiten waren ihm zuwider.
»Danke, Madame, aber wenn Sie gestatten, bleibe ich lieber stehen. Ich komme, um Ihnen erfreuliche Neuigkeiten zu bringen.«
»Wirklich? Dann ist mir Ihre Gesellschaft doppelt erwünscht.
Ich bin ganz Ohr.«
»Ihr Bruder Sir Arthur hat in Portugal einen glänzenden Sieg über die Franzosen erfochten. Den Bedingungen eines Vertrages zufolge räumen die Franzosen das ganze Land und übergeben Lissabon der englischen Armee.«
»Das sind in der Tat hocherfreuliche Nachrichten. Schon immer war ich stolz auf Arthur, und dieses Ereignis macht mich noch stolzer.«
»Und mir gereicht es zur großen Genugtuung, der erste zu sein, der seine Schwester beglückwünscht.«
Obwohl sie sitzen blieb, brachte es Lady Barbara wunderbarerweise fertig, sich zu verneigen. Hornblower erkannte die Schwierigkeit solchen Tuns und mußte widerwillig zugeben, daß es eine gute Leistung darstellte.
»Wie kamen die Meldungen hierher?«
»Der Vizekönig erhielt sie, während wir bei Tisch saßen. Ein von Cadiz kommendes Schiff hatte Porto Bello angelaufen, und von dort aus schickte man einen berittenen Boten nach Panama.
Es gab noch weitere Neuigkeiten, aber wieweit sie der Wahrheit entsprechen, vermag ich nicht zu sagen.«
»Und wie lauten sie, Herr Kapitän?«
»Auch die Spanier behaupten, einen Sieg erfochten zu haben.
Angeblich hat sich ihnen in Andalusien eine ganze Armee Bonapartes ergeben. Sie denken bereits an einen gemeinsamen spanischenglischen Vormarsch in Südfrankreich.«
»Was halten Sie davon?«
»Ich mißtraue der Meldung. Möglicherweise ist es ihnen zufällig gelungen, eine französische Truppenabteilung abzuschneiden, aber um Bonaparte zu schlagen, dazu gehört mehr als eine spanische Armee. Vorläufig sehe ich noch kein baldiges Kriegsende voraus.«
Ernst und zustimmend nickte Lady Barbara. Sie blickte aufs Meer hinaus, an dessen Kimm die Sonne unterging, und Hornblower folgte ihrem Beispiel. Jeden Abend empfand er das Verschwinden des Tagesgestirns in diesen ruhigen Gewässern als ein neues Wunder der Schönheit. Jetzt schnitt die Linie des Horizonts die feurige Scheibe. Schweigend sahen die beiden Menschen zu, wie sie tiefer und tiefer sank. Bald war nur noch ein schmaler Rand übrig; er verschwand, kehrte einem Goldschimmer gleich für eine Sekunde wieder, als die Lydia von der Dünung emporgehoben wurde, und verblich endgültig.
Rot glühte der Himmel im Westen, aber droben in der Höhe wurde er zusehends dunkler.
»Wundervoll!« sagte Lady Barbara. Ihre Hände hielt sie fest gefaltet, und es dauerte ein Weilchen, bis sie auf den Gegenstand des Gespräches zurückkam. »Ja. Der geringste Erfolg wird in den Spaniern die
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