Hornblower 05 - Der Kapitän
sich einfach nicht vermeiden ließ, der Natividad ein Gefecht auf Leben und Tod zu liefern.
Ganz anders aber wurde das, nun es sich auch um Lady Barbara handelte. Er mußte zum mindesten dafür sorgen, daß sie nicht lebendig in Crespos Hände fiel.
Das kurze Resümee seiner Schwierigkeiten versetzte ihn mit einemmal in heftige Erregung. Heimlich verfluchte er das gelbe Fieber, durch das Lady Barbara an Bord getrieben wurde; er verwünschte sich selbst wegen seines sklavischen Festhaltens am Buchstaben der ihm erteilten Befehle, durch das die Natividad in den Besitz der Aufständischen geraten war. Er ertappte sich dabei, wie er vor Wut die Fäuste ballte und mit den Zähnen knirschte. Siegte er in dem bevorstehenden Gefecht, so würde ihn die öffentliche Meinung - die ja fast nie etwas von den Begleitumständen wußte - deswegen tadeln, weil er das Leben einer Wellesley gefährdet hatte; und falls er unterlag - aber daran zu denken, brachte er einfach nicht fertig. Er verdammte seine Nachgiebigkeit, die ihn hatte einwilligen lassen, eine Dame an Bord zu nehmen. Vorübergehend dachte er sogar daran, umzukehren und sie in Panama an Land zu setzen.
Allerdings verwarf er den Gedanken sofort wieder. Die Natividad hätte inzwischen jene Galeone von Manila kapern können. Überdies war die Mannschaft der vielen Entschlußänderungen wegen bereits nervös geworden. Sie würde es ihm erst recht verübeln, wenn er jetzt umkehrte, um danach doch gleich wieder in See zu gehen. Zudem durfte er mit dem Widerspruch der Lady Barbara rechnen, die sich dafür bedanken würde, in dem von gelben Fieber heimgesuchten Panama zu bleiben. Und abermals bedachte sich Hornblower in sinnloser Weise mit Verwünschungen, wobei er von allen jenen unflätigen Flüchen und Gotteslästerungen Gebrauch machte, die er während seiner Seemannslaufbahn kennen gelernt hatte.
Vom Oberdeck ertönte das Schrillen der Bootsmannspfeifen, Befehle wurden gebrüllt, und dann folgte das eilfertige Trampeln nackter Füße. Nun da es zu dunkeln begann, war offenbar der Wind umgesprungen. Als es wieder still wurde, überkam den Kapitän in der engen Kajüte ein Gefühl der Bedrückung. Heiß und stickig war es hier unten. Die langsam hin- und herpendelnde, mit Öl gefüllte Hängelampe stank abscheulich. Er begab sich wieder an Deck. Von der Heckreling klang ein heiteres Frauenlachen herüber, dem ein Chorus rauhen Männergelächters antwortete. Die dunkle Masse dort drüben mußte aus mindestens einem halben Dutzend von Offizieren bestehen, die alle Lady Barbaras Stuhl umdrängten. Kein Wunder, daß sie, die seit sieben oder beinahe acht Monaten keine englische Frau zu sehen bekommen hatten, sich ähnlich benahmen wie Bienen, die einen Korb umsummen.
Hornblower wollte sie schon davon treiben, besann sich aber eines Besseren. Er konnte seinen Offizieren nicht vorschreiben, wie sie ihre Freizeit verbringen sollten, und sie würden sein Verhalten lediglich dem Wunsch zugeschrieben haben, sich allein die Gesellschaft der Dame zu sichern. Das aber entsprach durchaus nicht seiner Absicht. Unbemerkt von jener Gruppe, stieg er den Niedergang hinunter, um zu der stickigen Kajüte und der übelriechenden Lampe zurückzukehren. Für ihn bedeutete das den Beginn einer schlaflosen und unerquicklichen Nacht.
12. Kapitel
Am nächsten Morgen schlingerte und stampfte die Lydia bei leichter Backstagsbrise in der mäßig bewegten See. An Steuerbord querab ragten gerade noch die grau und rosa getönten Vulkangipfel jenes gottverlassenen Landes über die Kimm. Dadurch, daß man in Sicht der Küste blieb, bestand die meiste Hoffnung, der Natividad zu begegnen. Der Kommandant war bereits auf, ja, der Bootsmann Brown hatte sich entschuldigen müssen, weil er das Steuerbordachterdeck erst mit frischem Sand bestreute, während Hornblower schon seinen Morgenspaziergang machte.
Fern an Backbord durchbrach der schwarze Rumpf eines Wales die Meeresoberfläche. Blendend weiß hob sich der aufgewirbelte Gischt von der tiefblauen See ab, und als der Wal ausatmete, wurde eine federartig feine Dampfsäule sichtbar. Aus irgendeinem Grund war Hornblower ein Freund der riesigen Tiere, und so war es der Anblick dieses Burschen, der den ersten Anstoß zur Wiedergewinnung seiner guten Laune bot. Die Aussicht auf die unmittelbar bevorstehende kalte Dusche ließ ihn sogar den Schweiß angenehm empfinden, der ihm unterhalb des Hemdes auf die Brust trat. Dabei hatte er noch vor zwei Stunden heimlich
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