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Hornblower 05 - Der Kapitän

Hornblower 05 - Der Kapitän

Titel: Hornblower 05 - Der Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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zu erneuern, barer Unsinn gewesen. Hornblower hatte das Letzte aus seinen Leuten herausgeholt, um ja keine Zeit zu verlieren, und nun gewann man den Eindruck, daß sie alles in Gemütsruhe hätten tun können. Immerhin sollte die einmal begonnene Arbeit nun auch vollendet werden. Sein prüfender Blick überflog die Reihen der wartenden Männer. Jeder einzelne kannte seine Pflicht, und die Offiziere waren so verteilt, daß an keiner Stelle die Leitung fehlte. »Sehr schön, Mr. Bush.«
    Die Aufrichtung des Notmastes erwies sich des schweren Seegangs wegen als äußerst schwierige Aufgabe. Immer wieder, wenn das Schiff stark überholte, bestand die Gefahr, daß die mehr und mehr senkrecht stehende Rah den menschlichen Händen entglitt und daß dadurch alle Mühen vergebens wurden.
    Schließlich aber war es soweit; der neue Kreuzmast stand.
    Wanten, Stagen und Pardunen waren steifgeholt worden, und nun vermochten die heftigen, rollenden Bewegungen der Fregatte das Werk nicht mehr zu gefährden. Hornblower, der die Vorgänge keine Sekunde aus den Augen gelassen und immer wieder eingegriffen hatte, wenn es nötig wurde, lehnte todmüde an der Reling. Er staunte darüber, daß seine eisenharten Kerls es nach solcher Kraftanstrengung noch fertig brachten, Hurra zu schreien, als sie endlich die Hände sinken lassen konnten. Bush stand neben ihm. Bush hatte sich ein Tuch um die Stirn gewickelt. Dort, wo sie von dem fallenden Block gestreift worden war, sickerte Blut hindurch. »Eine prachtvolle Leistung, Sir«, lächelte er. Scharf sah ihn Hornblower von der Seite an.
    Anerkennung machte ihn, der sich der eigenen Schwäche in so hohem Maße bewußt war, immer wieder mißtrauisch.
    Überraschenderweise aber schienen Bush Worte durchaus ernst gemeint zu sein. »Danke«, murmelte Hornblower zögernd. »Soll ich die Stenge und die Rahen aufbringen lassen, Sir?« Abermals ließ Hornblower den Blick über den Horizont schweifen. Der Sturm blies mit unverminderter Stärke. Nur ein grauer Fleck deutete die Stelle an, wo auch die Natividad mit Wind und Seegang kämpfte. Es war klar, daß man vorläufig jedenfalls die Segelfläche nicht vergrößern durfte und daß man das Gefecht mit der schwer beschädigten feindlichen Fregatte noch nicht wieder erneuern konnte. Diese Erkenntnis war eine bittere Pille für den britischen Kommandanten. Er konnte sich sehr wohl denken, was man in Marinekreisen zu dem Bericht sagen würde, den er wohl oder übel der Admiralität einreichen mußte. Seine Erklärung, wonach das Wetter eine Wiederaufnahme des Gefechtes verhindert hatte, würde angesichts der Tatsache, daß die Lydia schwer mitgenommen worden war, nur mitleidigem Lächeln und vielsagendem Kopfschütteln begegnen. Es war eine sehr zweifelhafte Entschuldigung, etwa wie jene, bei der eine auf der Seekarte nicht verzeichnete Klippe eine fehlerhafte Navigation vertuschen mußte. Überall würde man ihn der Feigheit bezichtigen, auch wenn solche Anschuldigung nicht in Worte gekleidet wurde. Aus einer Entfernung von zehntausend Seemeilen vermochte niemand die Gewalt eines Sturmes zu beurteilen. Wohl konnte sich Hornblower dadurch einen Teil der Verantwortung vom Halse schaffen, daß er Bush um seine Meinungsäußerung bat und ihn veranlaßte, den Bericht aufzusetzen, aber ärgerlich verwarf er den Gedanken, auf solche Weise in den Augen eines Untergebenen seine Schwäche zu erkennen zu geben.
    »Nein«, sagte er ohne Betonung, »wir bleiben beigedreht, bis sich das Wetter bessert.«
    Bushs blutunterlaufene Augen bekamen einen bewundernden Ausdruck; Bush empfand Hochachtung für einen Kommandanten, der mit so wenigen Worten eine Entscheidung treffen konnte, die vielleicht sein berufliches Ansehen berührte.
    Hornblower erriet die Gedanken des Ersten Offiziers, aber seine verwünschte Art hinderte ihn daran, sich genauer auszudrücken.
    »Aye, aye, Sir«, bestätigte Bush. Die plötzlich an des Kapitäns Stirn zutage tretende Falte verbot es ihm, sich noch eingehender zu der Angelegenheit zu äußern, doch veranlaßte ihn die Zuneigung zu seinem Kommandanten, einen Vorschlag zu machen. »Unter diesen Umständen könnten Sie aber doch eigentlich ein wenig ruhen, Sir? Wahrhaftig, Sie sehen schrecklich müde aus. Darf ich nicht eine Ecke der Messe für Sie abteilen lassen, Sir?«
    Bushs Hand zuckte; er war drauf und dran gewesen, die Ungeheuerlichkeit zu begehen, seinem Kapitän auf die Schulter zu klopfen. In letzter Sekunde besann er

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