Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
hemmungslos gehen. Hornblower sah mindestens ein Dutzend von ihnen mit grünlichen Gesichtern zur Leereling wanken.
Zwei Burschen setzten sich einfach an Deck und preßten die Hände gegen die Schläfen. Abermals hob sich das Vorschiff, abermals folgte die spiralförmige Bewegung und das schwindelerregende Abgleiten nach vorn, und von neuem setzte das Jammern der Neulinge ein. Starren Blicks beobachtete Hornblower, wie sich einer der armen Teufel in eins der Speigatten erbrach. Sein Magen regte sich, und er mußte ein paar Mal schlucken. Schweiß perlte auf seiner Stirn, obwohl er mit einemmal entsetzlich fror.
Auch ihn mußte bald die Seekrankheit packen Er wollte allein sein und sich ungestört übergeben können, fern von den belustigten Blicken der Leute auf dem Achterdeck. Er gab sich Mühe, seiner Stimme den ihm eigenen bestimmten und gelassenen Tonfall zu geben, aber sein Ohr verriet ihm, daß es nur unvollkommen gelang.
»Lassen Sie mich rufen, wenn meine Anwesenheit erforderlich ist, Mr. Bush.«
Wirklich, während der Liegezeit im Hafen hatte er obendrein seine Seebeine verloren. Er schwankte, als er das Deck überschritt, und mußte sich mit beiden Händen an der Reling der Kampanje festhalten. Beim Süll der Kajütentür stolperte er.
Polwheal war gerade damit beschäftigt, den Tisch zu decken.
»Raus!« keuchte Hornblower atemlos »Raus!«
Polwheal verschwand, und Hornblower schleppte sich auf die Heckgalerie, wo er den Kopf weit über die Reling beugte. Unter ihm schäumte das Kielwasser. Daß die Seekrankheit die menschliche Würde beeinträchtigte, machte sie ihm doppelt verhaßt. Es bot ihm keinen Trost, daß er sich in seiner Verzweiflung vorhielt, daß ihr selbst Nelson zu Beginn jeder Reise verfallen war. Ebensowenig half ihm die Erkenntnis, daß die Reisen immer gerade dann zu beginnen pflegten, wenn er sich durch Aufregungen, geistige und körperliche Überanstrengungen ohnehin krank fühlte. Mochte es auch wahr sein, das änderte nichts an den Tatsachen. Stöhnend lehnte er an der Reling, indessen ihm der Wind um die Stirn wehte.
Er schauderte, denn der Nordoster war kalt. Das schwere Jackett lag in der Kammer, aber Hornblower fühlte, daß er es weder selbst holen noch Polwheal beauftragen konnte, es ihm zu bringen. Voll bitterem Hohn sagte er sich, daß dies also die wohltuende Einsamkeit war, nach der er sich gesehnt hatte, als ihm die Ereignisse am Land über den Kopf zu wachsen drohten.
Unter ihm knarrten die Fingerlinge des Ruders in den eisernen Ösen, und die See quirlte und rauschte. Seit gestern war das Wetterglas gefallen. Offenbar frischte es nach und nach bis zur Sturmstärke auf. Tagelang würde es weiterwehen, während man vor dem Winde segelnd die Bucht von Biskaya querte, und als Hornblower daran dachte, würde er gern alles hergegeben haben, was ihm gehörte, wenn er nur wieder in die Stille des Plymouther Hafens hätte zurückkehren können.
Seine Offiziere waren natürlich niemals seekrank; zum mindesten verspürten sie nicht diese fürchterlichen Begleiterscheinungen. Im Vorschiff aber wurden zweihundert todelende arme Teufel von ihren Unteroffizieren erbarmungslos zu ihrer Arbeit getrieben. Im Grunde genommen war es immer gut, einen Menschen ungeachtet der Seekrankheit zur Arbeit anzuhalten, sofern dadurch nicht die Disziplin geschädigt wurde, was in seiner eigenen Lage der Fall gewesen wäre. Dabei war er davon überzeugt, daß niemand an Bord so entsetzlich zu leiden hatte wie er selbst. Stöhnend und fluchend beugte er sich abermals vor. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß in drei Tagen alles überstanden sein würde, aber im gegenwärtigen Augenblick machte es für ihn keinen Unterschied, ob der Zustand drei Tage oder für die Ewigkeit anhielt. Und die Hölzer ächzten, und das Ruder knarrte, und der Wind pfiff, und die See zischte, und alles verwob sich zu einer Höllensymphonie, während Hornblower vom Schüttelfrost gepeinigt an der Reling lehnte.
6. Kapitel
Nachdem der erste furchtbare Anfall vorüber war, stellte Hornblower fest, daß der Wind zweifellos auffrischte. Zudem war er wechselnd. Einzelne Böen brachten Regenschauer, die auch die Heckgalerie trafen, auf der sich Hornblower aufhielt.
Mit einemmal befiel ihn die Furcht davor, was der Sutherland zustoßen konnte, wenn sie samt ihrer seemännisch unzureichenden Besatzung von einer besonders heftigen Bö gefaßt wurde. Der Gedanke an die Schande, angesichts des gesamten Geleitzuges Segel
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