Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
Landungsabteilung wieder zum Strande herab, an dem sie sich sammelte. Gruppen von Nachzüglern deuteten an, daß man Verwundete mitbrachte.
Alle die unerläßlichen Verzögerungen spannten Hornblower auf die Folter. Eine aus Erdbrocken und Rauch bestehende Riesenfontäne stieg aus der Schanze empor, und donnerndes Krachen tönte herüber. Die Pulverkammer des Feindes war in die Luft gesprengt worden. Endlich legten die Großboote des Linienschiffes ab. Durchs Glas erkannte Hornblower seinen Ersten Offizier, der offenbar unverletzt geblieben war. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er das breite, lächelnde Gesicht wieder vor sich sah. Bush erstattete Meldung.
»Die Frösche verschwanden durch die Hintertür, als wir zum Portal hereinmarschierten. Sie hatten so gut wie keine Verluste.
Wir selbst verloren...«
Hornblower riß sich zusammen, um unbewegt zuzuhören.
Nun die Aufregung vorüber war, fühlte er sich schwach und elend. Es bedurfte einer starken Willensanstrengung, das Zittern der Hände zu unterdrücken. Noch schwerer fiel es ihm, einigen von Bush namhaft gemachten Leuten lächelnd seine Anerkennung auszudrücken und dann zu der angetretenen Besatzung zu sprechen. Stundenlang war er in scheinbar eiserner Ruhe auf dem Achterdeck hin und her gegangen, aber jetzt war die Reaktion eingetreten. Er überließ Bush die Abfertigung der Prisen, die mit möglichst kleiner Mannschaft nach Port Mahon entlassen wurden, und ohne ein Wort der Erklärung zu sprechen, flüchtete er unter Deck in seine Kajüte. Er hatte sogar vergessen, daß die Klarschiff-Vorbereitungen rückgängig gemacht werden mußten. Während die Matrosen wieder die Trennungswände aufrichteten und die Geschütze seefest zurrten, saß er in seinem Liegestuhl draußen auf der Heckgalerie und sorgte dafür, daß er von den Heckfenstern aus nicht gesehen wurde. Weit lehnte er sich zurück. Er ließ die Arme hängen und schloß die Augen.
Unter ihm gurgelte das Wasser, die Fingerlinge des Ruders knarrten. Jedesmal wenn das Schiff über Stag ging - Bush kreuzte aufs offene Meer hinaus -, sank sein Kopf auf die andere Schulter.
Am stärksten beeindruckte ihn die Erinnerung an das große Wagnis, das er auf sich genommen hatte. Wahrlich, das Glück war ihm hold gewesen, sonst wäre er längst mit einem entmasteten Schiff, dessen Besatzung zur Hälfte tot oder verwundet war, gegen die Leeküste getrieben und von einem triumphierenden Feind in Empfang genommen worden. Es lag in Hornblowers Art, die eigenen Verdienste geringzuachten und nicht an die weitgehenden, Erfolg verheißenden Vorbereitungen zu denken. Er nannte sich einen leichtsinnigen Narren, der sich Hals über Kopf in Gefahren zu stürzen und das Für und Wider erst nachträglich zu erwägen pflegte.
Aus dem Kajütsalon drang das Klappern von Geschirr an sein Ohr. Er straffte sich, und gleich darauf erschien Polwheal auf der Heckgalerie. »Ich habe etwas Frühstück aufgetragen, Sir.
Seit gestern haben Sie überhaupt nichts gegessen.«
Mit einemmal kam es Hornblower zum Bewußtsein, daß er entsetzlich hungrig war und daß er den Kaffee ganz vergessen hatte, den Polwheal ihm vor einigen Stunden auf die Kampanje gebracht hatte. Natürlich war der dort stehengeblieben, bis Polwheal ihn wieder abtrug. Mit einem Gefühl wirklichen Wohlbehagens betrat Hornblower die Kajüte. Die Aussicht, etwas in den Magen zu bekommen, war so verlockend, daß er sich über die Bemutterung durch Polwheal nicht einmal ärgerte, obwohl die Gefahr bestand, der Mann werde die Vorteile der ihm eingeräumten Stellung alsbald mißbrauchen. Die kalte Ochsenzunge mundete delikat. Überdies hatte Polwheal mit geradezu unheimlich sicherem Instinkt eine halbe Flasche Weißwein aufgesetzt. Wenn er allein war, pflegte Hornblower für gewöhnlich nichts anderes als Wasser zu trinken, aber heute nahm er drei Glas Wein zu sich und genoß jeden Tropfen. Er fühlte, daß er einer Stärkung bedurfte.
Sobald die Müdigkeit schwand, begann sich sein Geist mit neuen Plänen zu beschäftigen, durch die er hoffen konnte, dem Feinde noch mehr Abbruch zu tun. Schon während er den Kaffee schlürfte, fingen sie an, festere Formen anzunehmen, obwohl ihm das zunächst gar nicht recht zum Bewußtsein kam.
Plötzlich aber wurde es ihm zu eng in der Kajüte, deren Luft er als stickig empfand. Er sehnte sich nach freiem Himmel und Sonnenschein. Polwheal, der abtragen wollte, sah den Kommandanten draußen vor den Heckfenstern schnellen Schrittes
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