Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Titel: Hornblower 07 - Unter wehender Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
Auffallend schnell gelangte er wieder zu Kräften; so schnell, daß sich jeder sehr darüber hätte wundern müssen, der seine aus einer spartanischen Lebensweise hervorgegangene eiserne Körperbeschaffenheit nicht kannte. Nach kurzer Zeit brauchte man ihm den Kopf nicht mehr zu stützen, damit er trinken konnte, er richtete sich mit eigener Kraft und ohne Hilfe auf.
    Dieser Dinge konnte sich Hornblower erinnern, aber der Rest blieb seltsam unklar. Lange Stunden hatte er am Wagenfenster verbracht, wobei es immerfort zu regnen schien und sein Gesicht und sein Haar nass wurden. Stunden der Melancholie waren es gewesen. Wenn Hornblower später an sie zurückdachte, tat er es vielleicht ähnlich wie ein geheilter Geisteskranker, der in der Anstalt verbrachter leerer Tage gedenkt. Die Bilder der vielen Wirtshäuser, in denen sie Station gemacht hatten, und der Ärzte, die sich Bushs angenommen hatten, gerieten hoffnungslos durcheinander. Unerbittlich in ihrer Regelmäßigkeit, verkündeten die Inschriften an den Posthaltereien die schrumpfende Entfernung von Paris: Paris 525... Paris 383... Paris 287... Irgendwo waren sie von der Staatsstrasse 9 auf die Staatsstrasse 7 geraten. Jeder Tag brachte sie Paris und damit dem Tode näher, und an jedem Tag verfiel Hornblower tiefer in Schwermut. Issoire... Clermont-Ferrand...
    Moulins... Er las die Namen der Städte, durch die sie kamen, ohne sie im Gedächtnis zu behalten.
    Der Herbst war jetzt vergangen, weit zurückgeblieben jenseits der Pyrenäen. Hier hatte bereits der Winter eingesetzt. Durch die langen und kahlen Baumreihen der Landstrassen strichen klagend die kalten Winde. Braun und verlassen lagen die Äcker.
    Nachts schlief Hornblower schwer; gepeinigt von Träumen, an die er sich anderen Morgens nicht erinnern konnte. Die Tage verbrachte er stehend am Wagenfenster. Dann starrte er blicklos in die traurige Landschaft hinaus, über die der Regen fiel. Ihm schien, als habe er ganze Jahre in dem nach Leder riechenden Inneren der Kutsche zugebracht. Das Klappern der Hufe lag ihm im Ohr, und zur Seite schielend konnte er die gedrungene Gestalt Caillards erkennen, der etwas seitwärts des linken Hinterrades an der Spitze der Eskorte ritt.
    An einem der düstersten Nachmittage, den sie bisher erlebt hatten, schien Hornblower nicht einmal durch das unerwartete jähe Anhalten, das wohl jedem anderen Reisenden als Unterbrechung des tödlichen Einerleis willkommen gewesen wäre, aus seiner Teilnahmslosigkeit gerissen zu werden.
    Uninteressiert sah er, wie Caillard nach vorn ritt, um sich nach dem Grund zu erkundigen, gleichgültig entnahm er der sich entwickelnden Auseinandersetzung, daß eines der Gespannpferde ein Eisen verloren hatte und nun stocklahm war.
    Er sah, wie das unglückliche Tier ausgespannt wurde, und hörte ohne Interesse die Antworten eines mit einem Packmaultier vorüberkommenden Händlers, den Caillard nach dem nächsten Hufschmied fragte. Zwei Gendarmen zogen, das lahmende Pferd mit sich führend, im Schneckentempo auf einem Seitenweg davon, dann setzte sich die nur noch von drei Gäulen gezogene Kutsche wieder in Richtung Paris in Bewegung.
    Nur langsam kam man vorwärts, und die Poststation war noch weit entfernt. Bisher waren sie nur ganz selten noch nach Einbruch der Dunkelheit auf der Landstrasse gewesen, aber jetzt sah es ganz so aus, als würde die Nacht längst vor dem Erreichen der nächsten Stadt hereinbrechen. Bush und Brown unterhielten sich ziemlich erregt über den jüngsten Zwischenfall. Hornblower beachtete das Zwiegespräch nicht. Er war gewissermaßen in der Lage eines Mannes, der lange Zeit neben einem Wasserfall weilt und das Rausehen nicht mehr hört. Frühzeitig begann es zu dämmern. Tiefliegende schwärzliche Wolken bedeckten den ganzen Himmel, und klagend strich der Wind durch das Geäst der Chausseebäume.
    Der Regen, der gegen Hornblowers Gesicht schlug, verwandelte sich erst in Graupeln und dann in Schnee. Er spürte die großen Flocken auf den Lippen und prüfte sie mit der Zunge. Der Mantel des Gendarmen, der die Wagenlaternen anzündete, war auf der Vorderseite bereits ganz weiß und schimmerte im dürftigen Lichtschein. Bald klang auch der Hufschlag nur noch gedämpft, die Räder waren überhaupt kaum noch zu hören, und die Fahrt wurde immer langsamer, da sich immer häufiger Schneeverwehungen quer über die Strasse zogen. Hornblower merkte, daß der Kutscher unbarmherzig die Peitsche über den müden Tieren schwang. Der Wind

Weitere Kostenlose Bücher