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Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Titel: Hornblower 07 - Unter wehender Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Hornblower die Finger des Verwundeten zucken, als ein unerwarteter Stoss erfolgte.
    »Es tut mir leid, Bush«, war alles, was er zu sagen vermochte.
    Es fiel dem Kapitän schwer, seinem Untergebenen gegenüber von so persönlichen Dingen wie seiner eigenen Niedergeschlagenheit zu sprechen.
    »Wir können nichts ändern, Sir«, sagte Bush und zwang sein spitz gewordenes Gesicht zu einem Lächeln.
    Ja, hier lag die Wurzel ihres Leidens, diese vollkommene Machtlosigkeit. Hornblower erkannte, daß er nichts sagen und nichts tun konnte. Die nach staubigem Leder riechende Luft innerhalb der Kutsche bedrückte ihn bereits, und der Gedanke, daß sie noch viele Tage auf diese Weise unterwegs sein sollten, ehe sie Paris erreichten, erfüllte ihn geradezu mit Entsetzen.
    Unruhig rutschte er auf seinem Sitz hin und her. Vielleicht empfand Bush diese Unruhe, denn vorsichtig zog er die Hand zurück. Dann drehte er den Kopf zur anderen Seite und überließ es dem Kapitän, sich innerhalb des engen Raumes nervös zu bewegen.
    Noch immer boten sich zur Rechten mitunter kurze Ausblicke aufs Meer, während man auf der anderen Seite die Pyrenäen sehen konnte. Als er den Kopf zum Fenster hinausschob, konnte sich Hornblower überzeugen, daß die Eskorte verringert worden war. Nur noch zwei Gendarmen ritten den Gespannen voraus und vier andere trabten dicht hinter dem Rappen Caillards.
    Offenbar war die Möglichkeit einer gewaltsamen Befreiung der Gefangenen nach dem Betreten französischen Bodens äußerst gering geworden. Hornblower stellte sich schließlich vor das Fenster und fand diese Haltung weniger lästig als das Sitzen in der dumpfigen Kutsche. Da waren die Weingärten und die Stoppelfelder zu sehen, und die schwellenden Höhen der Pyrenäen erstreckten sich bis in die dunstig blauen Fernen. Auch sah man Menschen, allerdings fast ausschließlich Frauen, wie Hornblower bemerkte - die kaum von ihrer Arbeit aufsahen, wenn der Wagen vorüberrumpelte. Nun begegnete ihnen eine Abteilung Soldaten. Hornblower nahm an, daß es sich um Rekruten und Genesene handelte, die sich auf dem Weg zu ihren in Katalonien stehenden Truppenteilen befanden. Die Marschordnung wurde so schlecht innegehalten, daß die Abteilung eher einer Schafherde als einer Truppe glich. Der junge Offizier, der an der Spitze marschierte, grüßte den zehnspitzigen glitzernden Stern auf Caillards Brust und warf gleichzeitig einen neugierigen Blick auf den Wagen.
    Seltsame Gefangene waren früher bereits dieses Weges gezogen. Alvarez, der heldenmütige Verteidiger von Gerona, der ebenfalls zur Aburteilung nach Paris gebracht werden sollte, unterwegs aber in einem Kerker auf einem Schubkarren starb.
    Es war das einzige Ruhelager, das man ihm gewährt hatte. Und dann musste Hornblower an den Neger Toussaint l'Ouverture denken, den Helden von Haiti, den man aus seiner sonnigen Heimat entführt hatte und der dann, in einem Fort des Jura, wie es gar nicht anders denkbar war, einer Lungenentzündung erlag.
    Palafox von Saragossa, der junge Mina von Navarra, sie alle waren der Rachsucht des Korsen zum Opfer gefallen. Er und Bush würden die ohnehin schon beachtliche Liste nur ein wenig verlängern. Der Herzog von Enghien, der vor sechs Jahren in Vincennes erschossen worden war, hatte königliches Blut in den Adern gehabt, und sein Tod hatte in ganz Europa größtes Aufsehen erregt, aber inzwischen hatte Bonaparte noch zahlreiche andere Morde begehen lassen. Der Gedanke an die vielen Vorgänger ließ Hornblower noch sehnsüchtiger zum Wagenfenster hinausblicken und tiefer noch die freie Luft einatmen.
    Noch immer angesichts des Meeres und der Berge - der Mont Canigou beherrschte nach wie vor den Hintergrund -, hielten sie an einer Poststation am Wege, bei der die Pferde gewechselt wurden, und in weniger als einer Viertelstunde ging es mit neuen Kräften eine längere Steigung hinan. Hornblower schätzte die Stundengeschwindigkeit auf mindestens neun Kilometer.
    Wie weit Paris war, konnte er nur ungefähr erraten; es mochten siebenhundert bis neunhundert Kilometer sein. Das entsprach achtzig bis hundert Reisestunden, und täglich konnte man bis zu fünfzehn Stunden unterwegs bleiben. Somit ließ sich das Ziel in sechs Tagen erreichen, doch konnte es auch erheblich länger dauern. Er war vielleicht schon in einer Woche tot, konnte aber auch noch nach drei Wochen leben. Noch!... Als ihm der Sinn dieses Wortes voll zum Bewusstsein kam, merkte er erst, wie sehr er am Leben hing. Er

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