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Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Titel: Hornblower 07 - Unter wehender Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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für die herbe Frische der See. Stundenlang weilte er mit einem Fernglas, das ihm der Graf verschafft hatte, an einem der Turmfenster und beobachtete die Umgebung; die winterlich kahlen und verlassenen Rebgärten des fernen Nevers, den prunkvollen Turm der Kathedrale und die zierlichen Türmchen des Palais Gonzaga, den schnell fließenden Fluss, dessen Wasser um halbertrunkene Weiden rauschte. Später boten ihm die im Januar wieder einsetzenden Schneefälle, die dreimal nacheinander die kahlen Hänge weiß zudeckten, eine willkommene Abwechslung des Landschaftsbildes. Er sah zu den fernen Bergen und näheren Hügeln hinüber. Mit dem Glas folgte er dem Tal der Loire, die sich in unbekannten Weiten verlor und in die der Nebenfluss Allier mündete. Einem Landbewohner würde der Ausblick vom Turm vielleicht reizvoll erschienen sein, selbst angesichts des so häufig auftretenden grauen Regenwetters, aber für einen eingesperrten Seemann konnte er unerträglich werden. Jener mit Worten nicht zu schildernde Reiz der See fehlte ebenso wie der geheimnisvolle Zauber und das Gefühl der Freiheit, die dem Meer eigen waren. Bush und Brown, denen es nicht entging, daß Hornblower nach einer solchen Sitzung in schlechtester Laune vom Turm herunterstieg, wunderten sich darüber, daß er seine Zeit in solcher Weise verbrachte. Besonders stark trat seine Missstimmung dann hervor, wenn seine Gastgeber mit geröteten Wangen und erfrischt von einem ausgedehnten Spazierritt zurückkehrten. Er, der sich nach Freiheit sehnte, empfand dann wohl ein törichtes Gefühl der Eifersucht, über das er sich selbst heftig ärgerte, ohne es doch ganz unterdrücken zu können.
    Eifersüchtig war er sogar auf Bush und Brown, die an der Fertigstellung des neuen Bootes arbeiteten. Er war kein geschickter Handwerker, und nachdem der Entwurf des Bootes vorlag - es sollte 4,60 Meter lang und bei flachem Boden 1,25
    Meter breit werden -, hätte er beim eigentlichen Bau höchstens gestört. Seine Untergebenen wussten viel besser mit dem Handwerkszeug, mit Säge und Drillbohrer umzugehen und fanden daher auch in solcher Tätigkeit eine hohe Befriedigung.
    Bushs kindliche Freude, die durch die lange Krankheit etwas weich gewordenen Hände möglichst bald wieder in ihren hornigen Zustand zu versetzen, ärgerte ihn fast ein wenig. Er beneidete die beiden schlichten Menschen wegen des Vergnügens, das ihnen der Anblick des in einer leeren Scheune unter ihren Händen wachsenden Fahrzeugs bot. Stärker noch neidete er Brown die Sicherheit des Augenmasses, denn ihm und Bush standen keinerlei Modelle und Vorrichtungen zur Verfügung, die Hornblower in solchem Fall unbedingt benötigt haben würde.
    Düstere Tage waren es für ihn in diesem Winter, in dieser aufgezwungenen Abgeschiedenheit. Der Januar kam ins Land und damit die Zeit, da das Kind geboren werden sollte.
    Hornblower wurde ganz krank vor Unruhe. Selbst die gütige Art seines Gastgebers und seine unabänderliche Höflichkeit empfand er schließlich als lästig. Es würde ihm geradezu Freude bereitet haben, wenn der Graf eine scharfe Antwort auf Bushs unbeholfene Ausdrucksweise gefunden hätte, und zuweilen wurde das Verlangen, einen Streit vom Zaun zu brechen, fast übermächtig in ihm, obwohl oder vielleicht weil er de Gracey sein Leben verdankte. Und die Mühe, die er sich geben musste, um seine Selbstbeherrschung zu wahren, machte ihn erst recht gereizt. Ungeachtet der Tatsache, daß ihre Gedanken so oft in merkwürdiger Weise dieselben waren, hatte er genug von der sich immer gleichbleibenden Freundlichkeit des Grafen.
    Tatsächlich war es merkwürdig, um nicht zu sagen unheimlich, so oft in den Äußerungen des französischen Edelmanns ein Spiegelbild seiner eigenen Empfindungen erkennen zu müssen.
    Peinigender noch empfand er es, daß er ähnliche Bande gleichen Denkens zuweilen nur gegenüber dem verbrecherischsten Menschen empfunden hatte, der ihm jemals begegnet war, jenem wahnsinnigen El Supremo drüben in Mittelamerika.
    El Supremo hatte seine Untaten in Panama auf dem Schafott büßen müssen. Hornblower bedrückte der Gedanke, daß der Graf sich seinetwegen der Gefahr aussetzte, in Paris auf der Guillotine hingerichtet zu werden. Wahnsinnig war es, solche Parallelen zwischen El Supremo und de Gracey zu ziehen, aber es entsprach Hornblowers Gemütsstimmung. Er dachte zuviel und hatte zuwenig zu tun, und sein überreiztes Hirn zergrübelte sich. Er wusste dabei sehr wohl, daß es an Irrsinn

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