Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
Pfortengänge glänzten im Sonnenlicht. Sie war Jervis' Flaggschiff bei St. Vincent gewesen. Hood hatte im Mittelmeer, Nelson bei Trafalgar seine Flagge auf ihr gesetzt.
Nun befand sich›Diesmal Jimmy‹bei ihr an Bord. Es war geradezu tragisch. Bunte Signalflaggen stiegen drüben empor.
Eifrig diktierte Sir Thomas die entsprechenden Antworten.
»Der Admiral wünscht Sie bei sich an Bord zu sehen, Sir«, wandte er sich schließlich an Hornblower. »Ich hoffe, Sie werden mir die Ehre antun, sich meiner Gig zu bedienen.«
Das Kommandantenboot der Triumph war primelgelb mit schwarzen Einfassungen. Das gleiche galt von den Riemenblättern. Die Mannschaft trug dementsprechend gelbe Blusen mit schwarzen Halstüchern. Als Hornblower Platz nahm - noch schmerzte ihn die Hand von Hardys Druck -, dachte er ärgerlich daran, daß er niemals imstande gewesen war, seiner Bootsmannschaft eine Phantasieuniform anzuziehen. Stets bereitete ihm das von neuem Kummer. Mit seinem bei Trafalgar erworbenen Prisengeld und der Pension, die er als Oberst der Marineinfanterie bezog, musste Sir Thomas Hardy ein reicher Mann sein. Er verglich: Hardy, ein über Geld verfügender, berühmter Baronet, und er selbst arm, unbedeutend und einem kriegsgerichtlichen Urteil entgegensehend. Auf der Victory wurde Seite für ihn gepfiffen, wie es die Bestimmungen der Admiralität vorschrieben. Die Wache der Seesoldaten präsentierte, die weiße Handschuhe tragenden Schiffsjungen halfen ihm beim Fallreep, und die Pfeifen der Bootsmannsmaate trillerten. Und dort auf dem Achterdeck stand ein Kapitän z. S. und streckte ihm die Rechte entgegen. Sonderbar empfand Hornblower es, da er sich doch bald vor dem Kriegsgericht auf Tod und Leben verantworten musste.
»Calendar«, stellte sich der andere vor. »Chef des Stabes.
Seine Lordschaft erwartet Sie.« Mit ausgesuchter Höflichkeit führte er Hornblower unter Deck.
»Ich tat Dienst auf der Amazon , als Sie sich an Bord der Indefatigable befanden«, sagte er. »Entsinnen Sie sich meiner?«
»Gewiss«, erwiderte Hornblower. Er hatte die Bemerkung nicht zuerst machen wollen, um sich keine Abfuhr zu holen.
»Ich erinnere mich gut«, fuhr Calendar fort. »Ich weiß auch noch, was Pellew über Sie zu sagen hatte.«
Was immer Admiral Pellew gesagt haben mochte, es konnte nichts Abträgliches gewesen sein - er hatte Pellews überschwenglichem Lob seine Beförderung verdankt - und nett war es von Calendar, daß er in dieser für Hornblower kritischen Lage darauf anspielte.
Lord Gambiers Kajüte war längst nicht so prunkvoll eingerichtet wie jene des Kapitäns Hardy. Am stärksten fiel dem Eintretenden eine mächtige, mit Messingbeschlägen versehene Bibel auf, die auf dem Tisch lag. Lord Gambier, dessen Gesicht sich durch schwere Hängebacken auszeichnete, saß missmutigen Blicks beim Heckfenster und diktierte etwas einem Schreiber, der sich beim Erscheinen der beiden Kapitäne zurückzog.
»Sie können Ihre Meldung zunächst mündlich erstatten, Sir«, sagte der Admiral.
Hornblower holte tief Atem und begann. Mit knappen Worten schilderte er die strategische Lage in dem Augenblick, da er die Sutherland dem französischen Geschwader entgegenführte. Das Gefecht selbst streifte er nur mit wenigen Sätzen. Die Männer, zu denen er sprach, hatten selbst an mancher Seeschlacht teilgenommen und vermochten die Lücken aus eigenem Denken auszufüllen. Er beschrieb, wie die Masse der schwerbeschädigten Schiffe hilflos in der Rosas-Bay und unter den Kanonen der Küstenbefestigungen trieb, indessen die Ruderkanonenboote in den Kampf eingriffen.
»Einhundertsiebzehn Tote gab es bei mir an Bord«, berichtete Hornblower, »einhundertfünfundvierzig Verwundete, von denen vierundzwanzig starben, ehe ich Rosas verließ.«
»Mein Gott!« sagte Calendar. Nicht die Zahl der nachträglich Gestorbenen veranlasste ihn zu diesem Ausruf, denn diese entsprach dem üblichen Prozentsatz, wohl aber die Höhe der Gesamtverluste. Weit über die Hälfte der Besatzung war außer Gefecht gesetzt worden, ehe die Sutherland die Flagge strich.
»Thompson von der Leander verlor zweiundneunzig von dreihundert Mann, Mylord«, sagte er. Thompson hatte sich nach einem Gefecht, das die Bewunderung ganz Englands erregte, bei Kreta einem französischen Linienschiff ergeben.
»Daran dachte ich selbst«, nickte Gambier. »Bitte fahren Sie fort, Herr Kapitän.«
Hornblower erzählte, wie er Augenzeuge der Vernichtung des französischen Geschwaders
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