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Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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es keinen Sinn hatte, die Sache auf die lange Bank zu schieben, aber gleichzeitig konnte er ein leises Gefühl des Widerwillens nicht unterdrücken.
    »Ich lasse Mr. Braun bitten, meinen Sekretär«, sagte er zu Brown, der gerade damit beschäftigt war, die letzten Uniformen hinter dem Vorhang an der Schottwand aufzuhängen. »Aye, aye, Sir«, sagte Brown.
    Seltsam, daß die Namen des Sekretärs und des Bootssteuerers ganz gleich ausgesprochen wurden. Dieser Zufall hatte ihn dazu veranlaßt, seinem Befehl die letzten beiden Worte beizufügen, die im Grunde ganz unnötig waren. Mr. Braun war groß und hager, er stand offenbar noch in jüngeren Jahren, hatte aber vorzeitig sein Haupthaar eingebüßt Im ersten Augenblick machte er auf Hornblower einen schlechten Eindruck, aber bezeichnenderweise benahm er sich gerade deshalb herzlicher gegen ihn, als wenn er ihm von vornherein gefallen hätte. Er bot ihm seinen Stuhl an und setzte sich selbst auf die Backskiste.
    Als er bemerkte, daß Mr. Braun den Pistolenkasten, Barbaras Geschenk, neugierig betrachtete, ließ er sich sogar darauf ein, mit ihm zur Einleitung des Gesprächs ein paar Bemerkungen über diese Waffen auszutauschen, wobei er die Vorzüge der Zündblättchen und der gezogenen Läufe hervorhob. »Da haben Sie sehr gute Waffen, Sir«, meinte Mr. Braun, indem er sie in den Kasten zurücklegte.
    Er sah Hornblower an. Auf seinen Zügen lag das sterbende Tageslicht, das durch die Heckfenster hereindrang, und spiegelte sich seltsam in seinen blaßgrünen Augen.
    »Sie sprechen sehr gut englisch«, sagte Hornblower.
    »Ich danke Ihnen für die Anerkennung, Sir. Vor dem Krieg hatte ich viel geschäftlich mit England zu tun. Aber ich spreche ebenso gut russisch, schwedisch, finnisch, polnisch, deutsch und französisch. Dazu noch ein wenig litauisch und dann auch ein bißchen estnisch, weil diese Sprache der finnischen so ähnlich ist.«
    »Aber Ihre Muttersprache ist doch schwedisch?« Mr. Braun zuckte seine mageren Achseln.
    »Mein Vater sprach schwedisch, meine Mutter sprach deutsch, Sir. Ich selbst sprach finnisch mit meiner Kinderfrau, französisch mit dem einen Hauslehrer und englisch mit dem anderen. Und in meinem Kontor sprachen wir russisch, wenn wir uns nicht auf polnisch unterhielten.«
    »Ich habe geglaubt, Sie seien ein Schwede.« Wieder zuckte Mr. Braun die Achseln.
    »Ich bin wohl schwedischer Untertan, Sir. Aber ich bin in Finnland geboren und habe mich bis vor drei Jahren selbst für einen Finnen gehalten.« Dieser Mr. Braun war also auch einer jener Heimat- und Staatenlosen, die heute ganz Europa zu bevölkern schienen - Männer und Frauen ohne Vaterland, Franzosen, Deutsche, Österreicher, Polen, die irgendeine Wendung des Krieges entwurzelt hatte und die jetzt irgendwo ein trauriges Dasein fristeten und sich an die Hoffnung klammerten, daß sie ein neuerlicher Wechsel des Kriegsglücks eines Tages wieder in den Sattel hob.
    »Als Rußland seinen Pakt mit Bonaparte benutzte, um über Finnland herzufallen«, erklärte Mr. Braun, »da gehörte ich zu denen, die um ihre Freiheit kämpften. Aber was konnte uns das nutzen? Wie hätte das kleine Finnland der riesigen russischen Macht widerstehen sollen? Ich war einer der wenigen Glücklichen, die entkamen. Meine Brüder schmachten heute noch in russischen Gefängnissen, wenn sie noch am Leben sind, hoffentlich sind sie tot. In Schweden herrschte Revolution, auch dort gab es keine Zuflucht für mich, obgleich ich doch für Schweden kämpfte. Deutschland, Dänemark und Norwegen waren in den Händen Bonapartes, der mich mit Vergnügen ausgeliefert hätte, um seinem neuen russischen Bundesgenossen einen Gefallen zu tun. Aber ich befand mich, Gott sei Dank, auf einem englischen Schiff, einem von denen, die ich mit Holz belud, und so kam ich nach England. Ja, ich war einmal der reichste Mann in Finnland, wo die reichen Leute gezählt sind, und wurde von heute auf morgen zum ärmsten Mann in England, wo es doch schon so viel Armut gibt.«
    Wieder spiegelte sich das Licht, das durch die Heckfenster fiel, in den blaßgrünen Augen, und bei Hornblower verstärkte sich der beunruhigende Eindruck, den dieser Sekretär auf ihn machte. Das lag gewiß zum Teil an der Tatsache, daß er ein Emigrant war und daß Hornblower, ungeachtet der Gewissensbisse, die er darüber empfand, wie alle anderen Leute diese Emigranten mit ihren ewigen Jammergeschichten gründlich satt hatte. Die ersten waren vor zwanzig Jahren aus

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