Hornblower 09 - Lord Hornblower
angesetzt, aber man mußte damit so lange warten, bis die Koffer der Herzogin aus der Last der Gazelle herausgehievt waren und die Herzogin sich umgekleidet hatte.
Hornblower führte Barbara in den Flügel des Gebäudes, in dem sich sein Hauptquartier befand. In der Vorhalle machten Ordonnanzen und Wachen ihre Ehrenbezeigung, im Hauptgeschäftszimmer sperrten Dobbs und Howard die Augen auf, als die Tür aufging und der Gouverneur einer Dame den Vortritt gab. Nach der ersten Überraschung sprangen sie eilig von ihren Stühlen hoch, Hornblower stellte sie vor, und sie machten, einer nach dem ändern, ihren höflichen Kratzfuß.
Natürlich wußten sie von ihr, wer hätte auch nicht von Lady Barbara Hornblower gehört, die des Herzogs von Wellington Schwester war? Seiner Gewohnheit entsprechend, warf Hornblower einen Blick auf seinen Schreibtisch. Da lag immer noch Quiots Brief, so wie er ihn hatte liegen lassen, er war mit wunderbarer Handschrift geschrieben und trug eine reich verschnörkelte Unterschrift. Das erinnerte ihn wieder daran, daß ja Bush nicht mehr am Leben war. Dieses Leid allein war echt, tat wirklich weh, war immer gegenwärtig. Das andere, die Freude über Barbaras Ankunft, hatte ihn so überfallen, daß sie für sein Bewußtsein noch keinen Wirklichkeitswert besaß. So kam es, daß seine schweifenden Gedanken sich auch durch die entscheidende Tatsache, daß Barbara wieder bei ihm war, nicht in Fesseln schlagen ließen, sondern auf die seltsamsten Bahnen gerieten. Dem Verstand, der diese Gedanken dachte, waren die kleinen Dinge des Lebens wichtig, er bestand auf ihrer überlegten Ordnung. Dieser herrische Verstand ließ es einfach nicht zu, daß er sich jetzt gedankenlos seinem Eheglück hingab, er warf sich vielmehr auf die praktische Außenseite seines neuen Daseins mit ihrer ganzen Fülle von Einzelheiten, Dingen, die ihm bis jetzt nie in den Sinn gekommen waren. Hier war er, ein Offizier in aktiven Diensten, der keine geringere Aufgabe hatte, als sich in einem Ringen auf Leben und Tod gegen einen Kaiser der Franzosen zu behaupten. Und nun oblag ihm auch noch die Sorge um seine Frau. Die Aufgabe hieß, sein Leben so zu ordnen, daß beiden Verpflichtungen in ausgewogener Form Genüge geschah. Hornblower war gewiß ein vielseitiger Mensch, aber die Haupttriebfeder seines Lebens war doch von jeher sein Beruf gewesen. Ihm hatte er seit zwanzig Jahren, weil er ein erwachsener Mensch war, jedes persönliche Opfer gebracht. An diese ununterbrochene, vorbehaltlose Hingabe hatte er sich so gewöhnt, daß sie sich heute fast unwillkürlich und in der Regel ohne Murren vollzog. Er war auf den Kampf gegen Bonaparte in einer Weise erpicht und hatte sich gerade im Verlauf der letzten Monate so stark darin verstrickt, daß er im Gegenteil eher geneigt war, jede Ablenkung von dieser Aufgabe als störend zu empfinden. »Diese Tür, mein Schatz«, sagte er endlich. Seine Stimme klang etwas heiser, er wollte sich räuspern, besann sich jedoch und unterließ es. Wenn er sich räuspern mußte, dann war das ein sicheres Zeichen dafür, daß er nervös und befangen war. Barbara hatte es ihm schon vor Jahren ganz einfach dadurch abgewöhnt, daß sie ihn damit aufzog.
Deshalb wollte er sich gerade in diesem Augenblick um keinen Preis räuspern, nicht vor Barbara und noch weniger vor sich selbst.
Sie gingen durch das kleine Vorzimmer, Hornblower stieß die Tür zum Schlafzimmer auf, trat beiseite, daß Barbara eintreten konnte, kam ihr nach und schloß die Tür hinter sich. Barbara blieb etwa in der Mitte des Raumes, den Rücken dem Fußende des Bettes zugekehrt, stehen. Sie lächelte mit einem Mundwinkel, die eine ihrer Brauen wölbte sich höher als die andere. Sie hob die Hand, um die Schließe ihres Mantels zu öffnen, ließ sie aber unverrichtetersache wieder sinken. Sollte sie über diesen unberechenbaren Mann lachen oder weinen?
Aber sie war eine Wellesley, ihr Stolz verbot ihr die Tränen, also riß sie sich zusammen. Eine Sekunde später trat Hornblower auf sie zu. Er kam gerade um diese Sekunde zu spät.
»Mein Schatz«, sagte er und ergriff ihre kalten Hände.
Lächelnd erwiderte sie seinen Blick. Ihr Lächeln war leicht, war spielerisch, aber es hätte gewiß zärtlicher sein können.
»Freust du dich, daß ich hier bin?« fragte sie. Dabei achtete sie darauf, daß auch diese Frage leicht hingeworfen klang und nichts von ihrer geheimen Angst verriet.
»Aber natürlich, selbstverständlich, mein
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