Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
hatte er, Hornblower, wirklich nicht die geringste Lust, dabei nur den Angehörigen, den kleinen Verwandten der Familie Wellesley zu spielen. Er hatte nun einmal nichts für Politik übrig, nicht einmal für Politik größten europäischen Stils. Wie kam er dazu, ungarischen Gräfinnen die Hand zu küssen und mit russischen Großfürsten leere Redensarten auszutauschen? Ja früher, als es sich darum, drehte, mit solchen Kinkerlitzchen einem höheren Zweck zu dienen, als er damit einen Erfolg erzielen, sein berufliches Ansehen fördern konnte, da hatte er sogar Freude daran empfunden. Er mußte eben wissen, wozu er so etwas auf sich nahm. Wenn es, wie hier, nur darum ging, seinen Ruf als Salonheld zu bewähren, dann wollte er lieber darauf verzichten. Auseinandersetzungen während einer Wagenfahrt scheinen sich stets dann zu ihrem Höhepunkt zuzuspitzen, wenn man am Ziel anlangt. Der Wagen hielt, und die Türhüter in der Livree des Hauses Wellington rissen den Schlag auf, ehe Hornblower noch Gelegenheit hatte, sich näher zu erklären oder wegen seines Benehmens um Entschuldigung zu bitten. Während sie das Gebäude der Botschaft betraten, überzeugte er sich mit einem besorgten Seitenblick, daß Barbara ein hochrotes Gesicht hatte und daß ihre Augen gefährlich glitzerten. Dabei blieb es während der ganzen Dauer des Empfanges. Hornblower beobachtete sie von weitem, sooft er konnte; sie schien sich ausgezeichnet zu unterhalten, lachte mit den Herren, die sie umdrängten, und tippte diesem oder jenem mit ihrem Fächer auf die Schulter.
    Flirtete sie etwa? Die roten und blauen, schwarzen und grünen Röcke, die ihr Gefolge bildeten, gefielen sich offenbar in den untertänigsten Bücklingen. Und Hornblowers Ärger erhielt mit jedem Blick, den er zu ihr hinübersandte, neue Nahrung. Aber er kämpfte diese Stimmung mannhaft nieder und entschloß sich, die Angelegenheit in Güte beizulegen.
    Als sie wieder in dem Wagen saßen, der sie zu den Polignacs brachte, sagte er: »Ich habe mir die Sache überlegt, mein Schatz.
    Es ist sicher das beste, wenn du nach Wien gehst. Arthur braucht dich, es ist deine Pflicht, ihm zu helfen.«
    »Und du?« Barbaras Ton war immer noch frostig.
    »Mich brauchst du ja nicht dabei, Liebling. Ich wäre dort nur etwas wie Bancos Geist bei Macbeths Mahl. In Smallbridge bin ich viel besser aufgehoben.«
    »Das ist wirklich lieb von dir«, sagte Barbara. Bei ihrem Stolz fand sie sich nicht leicht damit ab, einem anderen verpflichtet zu sein. Fiel es ihr schon schwer, eine Bitte auszusprechen, so war es ihr vollends ein Greuel, sie widerwillig gewährt zu bekommen. Da waren sie auch schon bei den Polignacs. »Lord und Lady Hornblower«, verkündete der Haushofmeister. Sie machten dem Prinzen ihre Aufwartung und wurden von dem Hausherrn und der Hausfrau höflich begrüßt. Aber, was war denn das...? Wie, in aller Welt...? Hornblower tanzte alles vor Augen. Sein Herz pochte hart gegen die Rippen, und seine Ohren dröhnten genau wie damals, als er in den Stromschnellen der Loire um sein Leben gerungen hatte. Der ganze Raum schien plötzlich in dichten Nebel gehüllt, aus dem sich nur ein einziges Gesicht deutlich abhob. Marie sah quer durch den Saal zu ihm herüber, um ihre Lippen spielte ein gequältes Lächeln.
    Marie! Hornblower fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er zwang sich mit Gewalt, klar zu denken, nicht anders, als er es früher zuweilen hatte tun müssen, wenn er im Gefummel einer Schlacht halb von Sinnen war. Marie! Nur wenige Monate vor seiner Hochzeit mit Barbara hatte er sie noch seiner Liebe versichert und war fest davon überzeugt gewesen, daß er die Wahrheit sprach. Und sie hatte ihm gleichfalls ihre Liebe gestanden, er hatte dabei ihre Tränen auf seiner Wange gefühlt.
    Seine Marie, diese Frau, die so voll zärtlicher Hingabe, die so aufrichtig war. Er hatte gewußt, daß sie mit allen Fasern ihres Herzens an ihm hing, daß sie ihn brauchte. Und doch hatte er ihr Andenken verraten, hatte er Barbara geheiratet.
    Er zwang sich, quer durch den Saal auf sie zuzugehen, und küßte formgerecht und höflich die Hand, die sie ihm bot. Immer noch zeigte sie ihm dieses unruhig zuckende Lächeln von vorhin, das ihm den Sturm ihrer Gefühle verriet. Genauso hatte sie ausgesehen, als... nun, als er selbstsüchtig alles genommen hatte, was sie ihm geben konnte, gedankenlos wie ein Kind, das von der Mutterliebe jedes Opfer verlangt. Wie konnte er es wagen, ihr noch in die Augen zu sehen?

Weitere Kostenlose Bücher