Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
hin und her, und der Bärtige ließ dieses ständige Wiegen und Schwanken offenbar geduldig über sich ergehen. Jetzt wurde er auf die am Wegrand stehende Gruppe aufmerksam, er versuchte, sich aufzurichten und gab den Pferdeführern eine kurze Weisung, worauf diese ihre Tiere zur Seite führten und neben Hornblower halt machten.
»Guten Tag, Mylord«, sagte er. Seine Stimme hatte jenen schrillen Klang, den man oft bei Hysterikern beobachten konnte.
Hornblower mußte den Mann genau und immer wieder ins Auge fassen, ehe er wußte, wen er vor sich hatte. Der schwarze Backenbart, die fiebrig glänzenden Augen, die erschreckende Blässe, die seine natürliche Bräune wie aufgeschminkt wirken ließ, das alles machte ihm das Erkennen unendlich schwer.
»Ramsbottom!« rief er endlich.
»Derselbe, nur ein wenig verändert«, sagte Ramsbottom und brach in ein seltsam schepperndes Gelächter aus. »Sind Sie verwundet?« fragte Hornblower. Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als er sah, daß Ramsbottoms linker Arm dick mit Leinenfetzen umwickelt war - er hatte sich so in das Studium seiner Gesichtszüge vertieft, daß ihm dies bis jetzt ganz entgangen war. »Ja, mein persönliches Opfer für die große Sache der Freiheit«, sagte Ramsbottom und stieß wieder das gleiche Gelächter aus - fast klang es wie Hohn, oder war es doch nur Hysterie?
»Was ist Ihnen denn zugestoßen?«
»Meine linke Hand liegt auf dem Schlachtfeld von Carabobo«, kicherte Ramsbottom, »ich fürchte, sie bekam nicht einmal ein christliches Begräbnis.«
»Großer Gott!«
»Sehen Sie dort meine Geschütze? Meine wunderbaren Geschütze! Bei Carabobo rissen sie die Dons in Stücke!«
»Aber Sie selbst - Ihre Verletzung - wer hat Sie denn behandelt?«
»Der Feldscher, wer sonst? Siedendes Pech für den Stumpf.
Wissen Sie, wie das tut, Mylord?«
»Meine Fregatte liegt auf der Reede vor Anker, der Schiffs-Arzt ist an Bord...«
»Nein, das ist ausgeschlossen. Ich muß mit meinen Geschützen weiter, um El Liberador den Weg nach Caracas zu bahnen.«
Wieder dieses Gelächter. Nein, das war kein Hohn - viel eher das Gegenteil. Der Mann war am Rande des Deliriums und rang verzweifelt darum, seinen klaren Kopf zu behalten, damit er auf keinen Fall sein Ziel aus den Augen verlor. Man konnte auch nicht sagen, er hätte gelacht, um nicht weinen zu müssen. Auch das traf nicht zu. Er lachte, weil er nicht den Helden spielen wollte. »Aber das geht doch nicht...«
»Sir, Sir, Mylord!«
Hornblower wandte sich um. Da stand, die Hand grüßend am Hut, ein Fähnrich von der Fregatte, den die Dringlichkeit seiner Meldung sichtlich aufregte. »Was ist denn los?«
»Meldung vom Kommandanten, Mylord: Zwei Kriegsschiffe an der Kimm in Sicht. Eine spanische und wahrscheinlich eine holländische Fregatte, Mylord. Beide halten auf uns zu.«
Weiß Gott eine böse Kunde. Auf der Clorinda mußte umgehend wieder seine Flagge wehen, damit er die fremden Schiffe in Empfang nehmen konnte. Das Ärgste an der ganzen Sache war für ihn, daß er ausgerechnet in diesem Augenblick davon erfuhr. Sein Blick wanderte zwischen Ramsbottom und dem Fähnrich hin und her, die blitzschnelle Art zu überlegen, die man bei ihm gewohnt war, schien ihn diesmal im Stich zu lassen. »Gut«, stieß er mit rauher Stimme hervor, »melden Sie dem Kommandanten, ich käme sofort.«
»Aye, aye, Mylord.«
Nun wandte er sich wieder an Ramsbottom: »Ich muß gehen, ich muß - leider.«
»Mylord«, sagte Ramsbottom. Die fiebernde Lebhaftigkeit von vorhin war von ihm gewichen. Er sank müde in seine Kissen zurück und mußte ein paar Sekunden Kraft schöpfen, ehe er wieder sprechen konnte. Und selbst dann kamen ihm die Worte nur schleppend und zögernd über die Lippen. »Haben Sie die Bride gekapert, Mylord?«
»Ja«, sagte er. Aber nun Schluß, endlich Schluß. Er mußte sofort auf sein Schiff zurück.
»Meine schöne, meine liebe Bride . Hören Sie, Mylord, im achten Stauraum liegt noch ein Fäßchen Kaviar. Lassen Sie sich den gut schmecken, Mylord.«
Wieder dieses scheppernde Gelächter. Ramsbottom lachte immer noch, als er wieder mit geschlossenen Augen auf seiner Bahre lag. Die flüchtigen Abschiedsworte Hornblowers schien er gar nicht zu hören, und diesem war, als ob ihn jenes unheimliche Lachen immer noch verfolgte, als er längst der Pier zueilte, wo sein Boot schon auf ihn wartete.
»Absetzen! So, und nun legt euch einmal ordentlich ins Kreuz!«
Dort lag die Clorinda und ganz in ihrer
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