Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
Leutnant sah sich gleich mit forschenden Blicken um, als er das Deck betrat. Es schadete nichts, wenn er gewahr wurde, daß sich die Männer auf ihren Gefechtsstationen befanden und daß das Schiff gefechtsbereit war. Er hatte auch Hornblower auf den ersten Blick entdeckt und reichte ihm den Brief mit einem militärischen Gruß und einer höflichen Verbeugung.
Su Excelencia el Almirante Sir Hornblower, lautete die Adresse. Hornblower erbrach das Siegel; es fiel ihm nicht schwer, die spanischen Sätze zu verstehen.
Der Brigadier Don Luiz Argote würde sich hochgeehrt fühlen, wenn ihm Seine Exzellenz, Sir Hornblower, Gelegenheit zu einer Rücksprache bieten würde. Der Brigadier würde sich ein besonderes Vergnügen daraus machen, Seine Exzellenz auf Dero Schiff zu besuchen, er wäre aber nicht minder erfreut, wenn Seine Exzellenz es vorzögen, das Schiff Seiner Allerkatholischsten Majestät mit seinem Besuch zu beehren.
Hornblower wußte, daß ein ›Brigadier‹ in der spanischen Marine nichts anderes war als ein Kommodore. »Ich werde gleich schriftlich darauf antworten«, sagte er. »Sir Thomas, bitte übernehmen Sie einstweilen die Pflichten des Gastgebers.
Kommen Sie, Gerard.«
Unter Deck hatten sie auf dem gefechtsklaren Schiff zunächst alle Mühe, Schreibpapier und Tinte aufzutreiben, noch lästiger aber war es, diesen Brief in spanischer Sprache abfassen zu müssen. Man mußte sich dabei mächtig in acht nehmen, weil falsche Orthographie und grammatikalische Schnitzer in einem Schriftstück viel mehr auffielen als beim mündlichen Verkehr.
Glücklicherweise gab der Brief des Brigadiers selbst die beste orthographische Stütze und half ihm sogar bei der richtigen Verwendung der kniffligen Konditionalform.
Konteradmiral Sir Horatio Hornblower würde sich besonders freuen, den Brigadier Don Luiz Argote auf seinem Flaggschiff zu empfangen, wann immer es ihm angenehm ist.
Jetzt galt es, Siegellack, Siegel und Kerze aufzustöbern. Es war gerade in diesem Augenblick völlig unmöglich, daß man sich in solchen Äußerlichkeiten eine Blöße gab. Der erste Versuch ging daneben. Erst der zweite Abdruck bewog Hornblower zu einem zögernden: »Hm, das mag angehn.« Dann fiel ihm plötzlich etwas ein. »Lassen Sie sich ein Boot geben und sausen Sie wie der Blitz auf die Bride of Abydos hinüber.
Dort schauen Sie nach, ob noch etwas von dem Sherry vorhanden ist, den uns Ramsbottom bei seinem Dinner anbot.«
Der Brigadier kam das Fallreep der Clorinda herauf und wurde mit dem ihm zustehenden Zeremoniell empfangen. Mit ihm erschien noch eine zweite Gestalt in Schiffhut und Epauletten. Hornblower verbeugte sich und stellte sich vor. »Ich nahm mir die Freiheit, Kapitän van der Maesen von der Königlich Niederländischen Marine um seine Begleitung zu bitten«, sagte der Brigadier.
»Ich heiße auch Kapitän van der Maesen mit größtem Vergnügen willkommen«, sagte Hornblower. »Vielleicht kommen die Herren mit mir unter Deck. Ich bedaure aufrichtig, daß die Bequemlichkeit in meiner Kajüte etwas zu wünschen übrig läßt, aber wie Sie sehen, war ich eben im Begriff, meine Besatzung in ihren Dienstpflichten zu üben.« Im ausgeräumten Achterschiff war in aller Eile eine Trennwand gezogen worden, dahinter hatte man den Kajütentisch und die Stühle wieder an ihren Platz gebracht. Der Brigadier nippte angenehm überrascht und mit sichtlichem Behagen an dem Glas, das ihm gereicht worden war. Wie immer in solchen Fällen, verstrichen die ersten Minuten in unverbindlicher Unterhaltung - sie wurde auf spanisch geführt, da dies die einzige Sprache war, in der sich alle miteinander verständigen konnten. Dann kam der Brigadier endlich auf das zu sprechen, was ihn hergeführt hatte. »Sie haben ein wunderbares Schiff, Mylord«, sagte er. »Um so aufrichtiger ist mein Bedauern, Sie in Gesellschaft eines Piraten zu finden.«
»Sie meinen die Bride of Abydos , Senior?«
»Gewiß, Mylord.«
Hornblower sah sofort die Falle, die sich da vor ihm auftat.
»Sie nennen die Brigg ein Piratenschiff, Senior?«
»Was ist sie denn in Ihren Augen, Mylord?«
»Ich bin gespannt zu hören, was Sie selbst davon halten, Señor.«
Ihm kam es jetzt vor allem darauf an, daß er sich in keiner Weise festlegte.
»Das Vorgehen der Bride of Abydos bedarf dringend der Aufklärung. Sie hat ein holländisches Schiff aufgebracht und geplündert. Das wäre nach den geltenden Gesetzen ohne Zweifel als Seeräuberei zu betrachten. Man mag
Weitere Kostenlose Bücher