Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
Entsetzen darüber weiten, daß solche Geheimnisse vor Frauenohren nicht sicher sind), hörte ich, daß Dein Verhalten gegenüber den spanischen und holländischen Seeoffizieren bei ihren Lordschaften der Admiralität den denkbar besten Eindruck hinterließ. - O Liebster, ich bin ja so stolz und froh darüber, obwohl ich nie im geringsten daran zweifeln konnte. Es wurde daraufhin bereits beschlossen, Dein Kommando um ein weiteres Jahr zu verlängern. Mein Glück über die große Freude, die Dir diese Anerkennung bereiten wird, wiegt fast - nein, voll und ganz - das Leid auf, das mich beschleichen will, wenn ich daran denke, daß unsere Trennung immer noch kein Ende nimmt. Glaub mir, Liebster, es gibt keine Frau auf der ganzen Welt, die Dich - nein, die irgendeinen Mann so lieben könnte, wie ich Dich liebe, Dich, den treuesten, den tapfersten, den kühnsten, den fähigsten aller Männer. Aber nein, ich darf nicht in diesem Stile fortfahren, weil es ja noch mehr Neues zu erzählen gibt.
Unsere Regierung hat offenbar die Bestrebungen der spanischen Kolonien, ihre Unabhängigkeit zu gewinnen, von jeher mit Wohlwollen verfolgt. Dagegen nahm sie mit entschiedener Mißbilligung von dem Beschluß der spanischen Regierung Kenntnis, Streitkräfte aus Europa in jene Länder zu entsenden, um mit ihrer Hilfe deren Rückeroberung zu versuchen. Man sprach davon, daß die anderen Mächte, denen jene Freiheitsbewegung irgendwie unheimlich ist, mit dem Gedanken umgehen, Spanien in Spanisch-Amerika militärisch zu unterstützen. Der Sieg bei Carabobo, zu dessen Erringung der arme Mr. Ramsbottom und seine Geschütze so entscheidend beitrugen, hat diesen Interventionsplänen allerdings einen Stoß versetzt. Es ist ein großes Staatsgeheimnis - so geheim, daß man über den Teetassen nur im Flüstertöne davon spricht - daß die britische Regierung eine Erklärung vorbereitet, in der sie zum Ausdruck bringen will, daß sie keinerlei militärische Einmischung der Mächte in Spanisch-Amerika dulden werde.
Vieles deutet darauf hin, daß unsere Regierung dabei in voller Übereinstimmung mit den Amerikanern vorgeht, jedenfalls heißt es allgemein, Präsident Monroe plane seinerseits mit einer Doktrin gleichen Inhalts vor die Öffentlichkeit zu treten. Wo man hinkommt, wird von diesen amerikanischen Absichten gesprochen, und die Meinungen platzen oft hart aufeinander.
Wie Du siehst, mein Teuerster, bist Du wieder einmal genau im Zentrum des Weltgeschehens, so wie Du seit je in jenem Zentrum weilst, um das die Gedanken und Gefühle Deiner treuen Gefährtin kreisen.
Der Hurrikan
Genau um halb sechs Uhr morgens betrat Hornblower sein Amtszimmer im Admiralitätsgebäude. Jetzt, zu Beginn des Sommers, war es um diese Stunde gerade schon hell genug, um die Dienstgeschäfte zu erledigen, vor allem aber war es noch einigermaßen kühl. Gerard und Spendlove, der Flaggleutnant und der Sekretär, erwarteten ihn bereits - es wäre ihnen schlecht bekommen, wenn sie nicht dagewesen wären. Sie rissen sich beide zusammen, ohne mit den Hacken zu klappen, weil sie im Lauf ihrer dreijährigen Dienstleistung herausgefunden hatten, daß der Chef diese Mode nicht leiden konnte. Dann schossen sie ihm wie die beiden Läufe einer Doppelflinte ihr ›Guten Morgen, Mylord, guten Morgen, Mylord‹, entgegen. »Morgen«, erwiderte Hornblower kurz angebunden. Er hatte seinen Frühstückskaffee noch nicht getrunken, sonst hätte er den beiden bestimmt auch seinerseits einen ›guten‹ Morgen gewünscht.
Er setzte sich ohne Verzug an seinen Schreibtisch, Spendlove trat hinzu und beugte sich mit einem Bündel von Eingängen über seine Schulter, während Gerard seine Morgenmeldung erstattete.
»Witterungsverhältnisse normal, Mylord, Hochwasser um elf Uhr dreißig. Während der Nacht ist kein Schiff eingelaufen, laut Meldung der Signalstation ist zur Zeit auch keines in Sicht. Vom Postschiff liegt keine Nachricht vor, Mylord, ebenso wenig von der Triton .«
»Sie bringen mir heute nichts als Fehlanzeigen«, sagte Hornblower. Die beiden letzten wogen einander auf.
H. M. S. Triton hatte den Nachfolger an Bord, der ihn nach dem dritten Jahr seines Kommandos ablösen sollte, und Hornblower war alles andere als glücklich, daß es mit der Herrlichkeit eines Oberbefehlshabers in Westindien schon so bald ein Ende haben sollte. Aber das Postschiff brachte ihm seine Frau, die er während dieser ganzen Zeit nicht gesehen hatte und deren Ankunft er voll ungeduldiger Sehnsucht
Weitere Kostenlose Bücher