Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
noch durch den Kopf gehen ließ, bewirkte eine plötzliche Bewegung des Schiffes, daß das Wasser wie ein Springbrunnen aus der Luke emporschoß. Ach was, es mußte trotz aller Schwierigkeiten möglich sein, an diese Kiste heranzukommen, sie aufzubrechen und ihren Inhalt heraufzuschaffen. Ein kräftiger Mann, der es lange unter Wasser aushielt, konnte das unbedingt schaffen, es durfte ihm nur nichts ausmachen, daß ihn das hin- und herschießende Wasser böse umherwarf. »Wenn wir diese Dosen an Deck bekämen, hätten wir etwas Besseres zu essen als das Fleisch der Kokosnüsse«, bemerkte er.
»Ich probier's, Sir«, sagte ein junger Matrose, und Hornblower fühlte bei diesen Worten, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er hatte nicht die geringste Lust, sich selbst da hinunter zu begeben.
»Du bist ein tüchtiger Junge«, sagte er. »Nimm dir jedenfalls eine Leine um, ehe du tauchst, damit wir dich notfalls heraufholen können.«
Als sie schon eifrig mit den Vorbereitungen zu diesem Unternehmen beschäftigt waren, gebot ihnen Hornblower plötzlich Einhalt.
»Wartet noch. Schaut einmal nach vorn«, rief er. Dort, eine Meile voraus, ging eine Regenbö nieder. Sie sahen die riesige, deutlich abgegrenzte Wassersäule, die in Luv der Pretty Jane vom Himmel herabstürzte. Die Wolke, aus der der Regen kam, hing niedriger als das übrige Grau des Himmels, und die Meeresoberfläche wirkte dort, wo der Regen fiel, erheblich heller als anderswo. Die Bö bewegte sich auf sie zu - nein, doch nicht ganz genau. Ihr Zentrum strebte nach einem Punkt, der eine Strecke querab lag, wovon sich nach kurzer Beobachtung jedermann überzeugen konnte.
Die ganze Schar der Seeleute brach in ein Inferno wüstester Schimpfereien aus.
»Hol's der Teufel, einen Ausläufer kriegen wir doch noch zu fassen!« stieß der Steuermann hervor. »Nutzt es nur ordentlich aus, wenn das Wasser kommt«, sagte Hornblower.
Noch drei lange, lange Minuten verfolgten sie gespannt, wie der Regen näher kam. Als er nur noch eine Kabellänge entfernt war, schien er zunächst einmal stillzustehen, obwohl man schon deutlich spürte, daß der Wind frischerund kühler wehte.
Hornblower war an Barbaras Seite geeilt. »Es gibt Regen«, sagte er.
Barbara wandte das Gesicht zum Mast, beugte sich nieder und machte sich unter ihrem Kleid zu schaffen. Nach kurzem Zerren brachte sie einen Unterrock zum Vorschein, zog ihn von den Beinen und bemühte sich nach Kräften, das salzige Naß herauszuwringen, während sie auf den Beginn des Regens wartete. Es fielen zuerst ein paar Tropfen, und dann ging ein richtiger Wolkenbruch auf sie nieder. Köstlicher, unbezahlbarer Regen! Zehn Hemden und ein Unterrock breiteten sich ihm entgegen, wurden ausgewrungen, wieder ausgebreitet, wieder ausgewrungen, bis das ausgequetschte Wasser frisch und trinkbar war. Jetzt konnten sie sich endlich alle nach Herzenslust satt trinken, während der Regen auf sie nieder rauschte. Nach zwei Minuten rief ihnen Hornblower zu, sie sollten die Kokosnußschalen mit Wasser füllen, und ein paar Mann wenigstens brachten so viel Vernunft und Gemeinsinn auf, daß sie ihre Hemden einmal in diese Gefäße ausdrückten, ehe sie sich wieder ganz der unbändigen Lust hingaben, trinken und wieder trinken zu können - niemand wollte den kostbaren Regen auch nur eine Sekunde ungenützt lassen. Aber der Regen war so rasch vorüber, wie er gekommen war, und bald sahen sie, wie die Bö achteraus abzog, so unerreichbar jetzt, als ob sie in der Sahara niedergegangen wäre. Aber die jungen Leute der Besatzung konnten nun auf einmal wieder lachen und scherzen, ihre düsteren und teilnahmslosen Mienen waren plötzlich wie verwandelt. Außer Hornblower gab es wohl keinen Mann an Bord, der auch nur einen Gedanken daran verschwendet hätte, daß die Pretty Jane vielleicht, ja wahrscheinlich die ganze nächste Woche nicht mehr in die Bahn einer Regenbö geriet.
Darum galt es jetzt, unbedingt zu handeln, obwohl ihn jedes Gelenk, jeder Muskel des Körpers schmerzte, obwohl ihm entsetzliche Müdigkeit den Verstand lähmen wollte. Er zwang sich mit aller Gewalt, weiterzudenken und zu planen, er zwang sich dazu, alle seine Kräfte zusammenzureißen. Als erstes verbat er sich das dumme Gelächter und wandte sich dann an den Mann, der sich vorhin freiwillig dazu gemeldet hatte, in den Heckraum hinunterzutauchen.
»Nimm dir zwei Mann, die die Leine bedienen sollen«, sagte er. »Das beste ist, wenn sich der Steward daran
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