Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
Kingston hereinglitt, und nahm noch einmal Barbaras zwei Monate alten Brief zur Hand, der vor nunmehr vierzehn Tagen hier angelangt war.
Mein allerliebster Mann, (schrieb Barbara. Sie mißbrauchte zuweilen ihre Superlative, denn strenggenommen konnte die Anrede ›allerliebster‹ nur besagen, daß sie mindestens drei Männer besaß, unter denen Hornblower allerdings die erste Stelle einnahm.)
Du wirst bald einen interessanten Besuch bekommen. Es handelt sich um einen Millionär namens Charles Ramsbottom, der sich ein ausgedientes Marinefahrzeug kaufte und es auf den Namen Bride of Abydos taufte. Er gedenkt das Schiff als Yacht zu benutzen und damit die Westindischen Inseln zu besuchen. In der hiesigen Gesellschaft trat er erst vor kurzer Zeit in Erscheinung, nachdem er seines Vaters Vermögen als Erbe übernommen hatte - Bradford-Wolle, glaube ich, und langfristige Verträge auf Lieferung von Armeeuniformen!
Erstaunlich, daß es ihm trotz seiner etwas zwielichtigen Herkunft so rasch gelang, in der Gesellschaft Fuß zu fassen!
Aber es fiel eben doch so manches für ihn ins Gewicht. Er ist noch sehr jung, besonders charmant, ledig, etwas exzentrisch und, wie schon gesagt, ein Millionär. In letzter Zeit bin ich ihm in sehr guten Häusern häufig begegnet und möchte ihn Dir hiermit herzlich empfehlen. Vielleicht habe ich dafür keinen anderen Grund, als daß er mir mit seiner köstlichen Mischung von Ehrerbietung und Warmherzigkeit ein ganz klein wenig den Kopf verdreht hat. Wäre ich nicht mit dem unwiderstehlichsten Mann der Welt verheiratet, ich glaube, ich wäre seinem Gehaben hoffnungslos erlegen. Er hat denn auch überall den allerbesten Eindruck hinterlassen, sowohl in den Kreisen der Regierung wie bei der Opposition, und wenn er sich in irgendeiner Richtung engagieren wollte, dürfte er in der Politik bald eine wichtige Rolle spielen. Ich bin überzeugt, daß er Dir Empfehlungsschreiben von Persönlichkeiten vorlegen wird, die ungleich größeren Einfluß besitzen als Deine Dich herzlich liebende Frau...«
Hornblower konnte nicht umhin, den Brief noch einmal bis zum Ende durchzulesen, obwohl von Mr. Charles Ramsbottom weiterhin nicht die Rede war. Dann aber kehrte er wieder zum ersten Absatz zurück. Hier war ihm vor allem der Ausdruck ›Millionär‹ aufgefallen, der gleich zweimal darin vorkam und den er bis dahin noch nie gehört oder gelesen hatte.
Er mochte dieses Wort von Anfang an nicht leiden. Konnte man sich vorstellen, daß ein einziger Mensch eine Million Pfund sein eigen nannte, und das wahrscheinlich nicht in Ländereien, sondern in Fabriken, Aktien und Obligationen, zu denen dann womöglich noch ein dickes Paket Staatspapiere und ein gewaltiges Bankkonto zu rechnen waren? Daß es solche Burschen gab - ob sie nun zur Gesellschaft zählten oder nicht - war ihm ebenso widerwärtig wie diese neumodische Bezeichnung, die man ihnen beigelegt hatte. Und dieser hier hatte seiner Barbara gegenüber den Kavalier gespielt - man konnte bezweifeln, ob das wirklich eine Empfehlung für ihn war. Er griff wieder nach dem Glas und verfolgte, wie die Brigg vor Anker ging. Die Schnelligkeit, mit der sie ihre Segel wegnahm, verriet, daß sie eine starke Besatzung fuhr.
Hornblower wußte nur zu genau, was dieser Sport kostete, weil er ja selbst als Geschwaderchef den knausrigen Lords über jeden ausgegebenen Penny Rechenschaft zu geben hatte. Um das Geld, das dieser Mr. Ramsbottom für seine seemännische Spielerei zum Fenster hinauswarf, hätten sich an die tausend arme Familien an Brot, Bier und Schinken satt essen und satt trinken können.
Die Brigg drehte auf und zeigte ein Ankermanöver, an dem wirklich nichts auszusetzen war. Hornblower hätte nicht umhin gekonnt, anerkennend vor sich hin zu brummen, wenn es sich um ein Schiff seines eigenen Verbandes gehandelt hätte. Auch jetzt ließ er ein leises Knurren vernehmen, das aber nur einer aus Mißgunst und Hohn zusammengesetzten Regung Ausdruck gab.
Dann wandte er sich ab, um in der Abgeschiedenheit des Admiralitätsgebäudes auf das Eintreffen des ungebetenen Gastes zu warten.
Als er ihm gemeldet wurde, griff er nach der Visitenkarte, auf der in schlichten Lettern ›Mr. Charles Ramsbottom‹ stand, und stellte mit leiser Genugtuung fest, daß er endlich auf einen Namen gestoßen war, der noch weniger Klang und Wohllaut besaß als sein eigener. Aber der Träger dieses Namens machte dann gleich einen weit besseren Eindruck. Er stand noch im Anfang der
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