Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
achteren Teil des Schiffes alle Schottwände herausgerissen, um eine zwar niedrige, aber sehr geräumige Kajüte zu erzielen. Die Karronaden auf beiden Seiten verliehen der üppigen Szene eine kriegerische Note, die allerdings in dem Meer von Blumen kaum noch zu verspüren war. Der Eßtisch stand, von schimmerndem Leinen bedeckt, in der Mitte. Windfänger in den Bullaugen lenkten den Passat in die Kajüte herein, die im doppelten Schutz des Sonnensegels und des Decks angenehm kühl war. Außerdem entdeckte Hornblower gleich auf den ersten Blick zwei seltsame Vorrichtungen, eine Art kleiner Räder, die in zwei Bullaugen gesetzt waren und unaufhörlich herumwirbelten. Jetzt wußte er auch, wozu der Matrose an Oberdeck die Kurbel drehte. Er trieb damit diese beiden Räder an, die durch ihren genialen Mechanismus einen Luftstrom von außenbords in die Kajüte trieben. Die Dinger arbeiteten dabei genau wie die Flügel einer Windmühle, nur im umgekehrten Sinne. Die Gäste nahmen in der Ordnung Platz, die ihnen der Gastgeber höflich nahelegte, und harrten nun gespannt der Dinge, die da kommen sollten. Der erste Gang wurde aufgetragen. Er bestand aus zwei großen Schüsseln, die von noch größeren, mit zerhacktem Eis gefüllten Schalen umschlossen waren. Die Schüsseln enthielten eine graue, körnige Masse.
»Kaviar!« rief Seine Exzellenz und löffelte nach dem ersten überraschten Blick eine tüchtige Portion auf seinen Teller. »Ich hoffe, er ist nach Ihrem Geschmack, Sir«, sagte Ramsbottom.
»Und ich möchte Sie bitten, dazu diesen Wodka zu versuchen.
Es ist der gleiche, wie er in Rußland an der kaiserlichen Tafel serviert wird.«
Während des ersten Ganges drehte sich das Gespräch der Tafelrunde nur um Kaviar und Wodka. Hornblower hatte diese Zusammenstellung das letztemal im Jahr 1812 während der Verteidigung von Riga zu kosten bekommen und konnte daher seinen Teil zu dieser Unterhaltung beitragen. Dann wurde der nächste Gang aufgetragen. »Dieses Gericht dürfte den Herren nicht unbekannt sein«, erklärte Ramsbottom. »Aber ich brauche Sie darum kaum um Nachsicht zu bitten, da es wohl mit das Köstlichste ist, was diese Insel zu bieten hat.« Es waren Fliegende Fische.
»Bei dieser Zubereitung haben Sie es gewiß nicht nötig, sich zu entschuldigen«, bemerkte Seine Exzellenz. »Ihr Chef de cuisine ist ein wahres Genie.«
Die Sauce, die dazu auf den Tisch kam, hatte nur eine leise Spur von Senfgeschmack.
»Rheinwein oder Sekt?« murmelte eine Stimme in Hornblowers Ohr. Er hatte schon vorher gehört, wie der Gouverneur auf dieselbe Frage geäußert hatte: »Ich möchte zuerst den Rheinwein versuchen.« Der Sekt war trocken und von verführerischem Wohlgeschmack, eine vollendete Beigabe zu solch vortrefflicher Speise. Die großen Eßkünstler der Antike, ein Nero, ein Vitellius, ein Lucullus, wußten noch nichts von dem Genuß, den Fliegende Fische mit Sekt dem Feinschmecker bieten konnten.
»Sie werden bald andere Dinge zu essen bekommen, was, Hornblower?« sagte Seine Exzellenz.
»Ohne Zweifel, Sir.«
Ramsbottom warf ihm einen höflich fragenden Blick zu.
»Eure Lordschaft gehen in See?«
»Ja, nächste Woche«, gab ihm Hornblower zur Antwort. »Ich will noch einmal mit meinem Geschwader exerzieren, ehe die Hurrikan-Periode beginnt.«
»Sicherlich dient das zur Erhaltung der Schlagkraft Ihres Verbandes«, sagte Ramsbottom. »Werden diese Übungen von längerer Dauer sein?«
»Ein paar Wochen, vielleicht auch länger«, sagte Hornblower.
»Ich muß dafür sorgen, daß meine Männer wieder einmal die einfache Seemannskost, Hartbrot, Salzfleisch und Wasser aus dem Faß zu kosten bekommen, damit sie sich ihrer nicht ganz entwöhnen.«
»Und Sie selbst machen da wohl tüchtig mit«, meinte der Gouverneur lachend.
»Selbstverständlich«, bestätigte ihm Hornblower mit einer leisen Regung des Bedauerns.
»Holen Sie dazu Ihr ganzes Geschwader zusammen, Mylord?« fragte Ramsbottom.
»Alle Schiffe, die irgend verfügbar sind. Ausnahmen gibt es nur im äußersten Notfall.«
»Gewiß ein nützlicher Grundsatz«, bemerkte Ramsbottom.
Nach den Fliegenden Fischen folgte eine scharf mit Curry gewürzte Geflügelsuppe, die dem westindischen Gaumen so recht behagte.
»Gut!« ließ sich der Gouverneur kurz vernehmen, als er den ersten Löffel versucht hatte. Der Champagner machte erneut die Runde, und die Unterhaltung wurde immer lebhafter, zumal Ramsbottom geschickt dazu beitrug, die Gespräche in Gang
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