Hornblower 11 - Zapfenstreich
es je zustande bringen zu können.
Nun muß ich, wenn auch zögernd, zulassen, daß meine Gesundheit sich wieder in diesen Bericht über die Entstehung der Hornblower-Serie einmischt, das enfant terrible unterbricht wieder einmal die höfliche Unterhaltung der feineren Leute. Ein paar Jahre waren vergangen; andere Romane hatten meine Aufmerksamkeit verlangt und - selbstverständlich - kam zwischendurch auch das Leben zu seinem Recht. Dann plötzlich aber hörte das Leben fast auf. Der Herzanfall traf mich um zwei Uhr morgens; ein Infarkt ernster Art und außerordentlich schmerzhaft. Zum Glück wurden meine Hilfeschreie gehört, und Dr. Fox sprang in guter alter Ärzte-Tradition sogleich aus dem Bett und fuhr durch neblige Straßen, um mir zu Hilfe zu eilen.
Nach den ersten paar Sekunden wußte ich, was mir geschehen war; drei Monate zuvor war einer meiner nächsten Freunde innerhalb einer Stunde nach einem solchen Herzkrampf gestorben. Es blieb mir Zeit, die Lage zu überblicken; mit tiefer Befriedigung stellte ich fest, daß ich mein Testament gemacht und meine Angelegenheiten leidlich geordnet hatte. Natürlich fühlte ich auch Bedauern und sehr bittere Reue - Bedauern, dieses angenehme Leben zu lassen, verschärft durch die Erkenntnis alles dessen, was ich zu tun versäumt hatte, und noch weiter gesteigert durch den Gedanken an all die halbgeformten Ideen, die zur vollen Entwicklung zu bringen ich nun keine Gelegenheit mehr hatte. Dr. Fox stand neben meinem Bett; es war kaum nötig, ihm zu sagen, was mit mir los sei. Die Schmerzen waren heftig; ich wälzte mich im Bett umher im Bestreben, eine weniger unbequeme Lage zu finden - da erkannte ich plötzlich mit einmaliger Klarheit, daß ich mich im Todeskampf wand. Ich hatte so etwas früher schon gesehen, sowohl bei Menschen wie bei Tieren, aber ich hatte mich noch nie selbst im Todeskampf gekrümmt, und es war mir nicht beigekommen, daß das je geschehen könnte. Diese Erkenntnis brachte mich dazu, still zu liegen - soweit ich das vermochte.
Die Nadel stach ein und der Kolben wurde zurückgeschoben. ›Wollen Sie denn überhaupt nicht reagieren?‹ fragte Dr. Fox, als er vom Telefon zurückkam, wo er einen Krankenwagen bestellt hatte. Dann trat die Reaktion ein, die gesegnete Erleichterung durch das Morphium, das Nachlassen des Schmerzes und das Aufhören der Angst. Rosa Wolken wirklichen, wenn auch unerklärlichen Glücks begannen um mein Bett zu wogen. Und aus den Wolken kamen drei Worte. Ich bin ganz sicher, daß nicht Dr. Fox sie gesprochen hat - dazu waren sie viel zu unmedizinisch - noch sonst irgend jemand neben meinem Bett. Aber die drei Worte formten sich in mir so klar, als hätte ich sie gehört: gleich auf gleich. Das war es: gleich auf gleich. In der glücklichen Unlogik unter der Einwirkung des Morphiums entlockten mir diese Worte sogar ein Lächeln.
Die Krankenträger mit ihrer Bahre kamen herein, und ich wurde in die Nacht hinausgetragen. Die rosa Wolken rollten mit mir und die drei Worte folgten mir nach, den ganzen Weg bis ins Krankenhaus. Wochen erzwungener Hilflosigkeit folgten (ich glaube, heutzutage behandelt man solchen Krampf der Aorta weniger zeremoniell); immer länger mußte ich in einem Sauerstoffzelt zu atmen versuchen, verwirrt strengste ich mich an, logisch zu denken und mich mit Dingen dieser Welt zu befassen, während der Denkapparat durch beruhigende Drogen gelähmt war. Langsam kam die Klarheit zurück und mit ihr natürlich die Langeweile. Während der letzten Woche in der Klinik hatte ich übergenug Gelegenheit zum Nachdenken und sonst so gut wie nichts zu tun. Die netten Schwestern waren so leicht zu necken, daß ich des Spiels bald überdrüssig wurde - es glich zu sehr dem Schießen auf sitzende Vögel -, und nachdem ich mir einmal im Kopf ausgerechnet hatte, daß ich für dieses Klinikzimmer ein Luxusappartement auf der Queen Mary (oder den Flügel eines orientalischen Palastes, komplett mit Tänzerinnen) hätte haben können und noch immer Geld übriggeblieben wäre, zog es mich mehr zu anderen Themen.
Noch immer war ich zu schwach, längere Zeit ein Buch zu halten; es mußte also beim Denken bleiben.
Die wunderliche Sache mit dem ›gleich auf gleich‹ kam mir wieder ins Gedächtnis. Vielleicht hatte ich unbewußt meine eigene Chance zu überleben abgeschätzt. Möglicherweise handelte es sich auch um den Durchbruch des Keimes zu einer neuen Geschichte, tief aus dem Inneren hervor, der noch zu jung war, um ihn recht
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