Hornblower 11 - Zapfenstreich
vielen Möglichkeiten des Einsatzes hinüberleiten. Im Jahre 1794 wurde der Handel im Golf von Biskaya empfindlich getroffen. Häufig wurden blutjunge Offiziere beordert, Prisen in heimatliche Häfen zu bringen - hier kam mir die Idee einer Reisladung, die durch ein Leck zum Aufquellen kommt. Hornblower nahm sich selbst so feierlich ernst, daß ihn das wohl dazu bringen konnte, sich selbst zu einer Strafe wegen Versagens zu verdammen. Zu Anfang des Jahres 1795 fand dann die unheilvolle Expedition nach Quiberon statt.
1796 kam es - wie so oft in der Geschichte - zu einem Überwechseln der spanischen Regierung auf die andere Seite, und das führte natürlich zu einem Geplänkel mit den spanischen Galeeren, die Jahrhunderte lang die Entwicklung des Schiffbaus überlebt hatten - (das alles machte ich mir klar, während ich vorsichtig ein Boot über die blauen Wasser des Fallen-Leaf-Sees ruderte).
Es konnte unendlich viel geschehen, und doch nicht ganz endlos. Wie Cassandra sah ich das böse Geschick voraus, das Hornblower erwartete. Vor einem Dutzend Jahren schon war von diesem Schicksal die Rede gewesen. Er sollte von den Spaniern gefangengenommen werden, denn er mußte die spanische Sprache lernen, um im Jahre 1808 imstande zu sein, sich mit El Supremo zu unterhalten. Diese Gefangenschaft aber durfte seine Beförderung nicht aufhalten, mußte also lange vor dem natürlichen Ende beim Friedensschluß von Amiens im Jahre 1801 beendet sein. Die Gefangennahme auszudenken war eine Kleinigkeit - er konnte in einem kleinen Fahrzeug Depeschen befördern und vor der Schlacht von Kap St. Vincent 1797 ohne seine Schuld auf See in die Hände der spanischen Flotte fallen. Und gerade dieses Pech konnte benutzt werden, seine nun fällige Beförderung zum Leutnant herbeizuführen.
Dann aber mußte er irgendwie wieder freikommen. Flucht?
Seltsam, er war ja schon einmal aus der Gefangenschaft entflohen - es ist wahr, das geschah viele Jahre später, im Jahre 1810, aber wir konnten ihn das doch nicht 1798 noch einmal wiederholen lassen. Ein ganz bestimmter Anlaß mußte gefunden werden, der seine Freilassung wirklich gut begründete. Diesmal machte es so wenig Mühe wie kaum je zuvor, das notwendige Ineinandergreifen dazu auszudenken - schon das war ein zu starkes Wort -, es genügte, sich die Notwendigkeit klarzumachen, und die Lösung stellte sich von selbst ein. Fast lohnte es sich, wochenlang im Krankenhaus zu liegen, wenn der Kopf hinterher so gutwillig arbeitete.
Es blieb also, natürlich, nichts anderes übrig, als das alles zu schreiben. Das mußte diesmal ganz einfach sein, denn die Geschichte hatte sich in einzelnen Episoden dargeboten; ein vernünftiger Mann mußte also imstande sein, eine davon zu schreiben, und dann eine Erholungspause einlegen, ehe er an die nächste ging. Es war, in der Tat, sehr ratsam, es so zu machen - mit dem Herzinfarkt in jüngster Vergangenheit. Reiner Unsinn, natürlich. Da eine jede Geschichte von unten heraufblubberte, sobald das tote Gewicht der ihr vorangehenden von ihr genommen war, blieb mir nichts anderes übrig, als gleich wieder zu beginnen. Immer irrlichterte es in mir: diese Erzählung ist nicht so gut, wie ich es erhoffte, aber die nächste wird bestimmt ausgezeichnet. So floß eine Erzählung nach der anderen aus meiner Feder, eine jede begann hoffnungsvoll, und es ist nicht wahr, daß ich jede verzweifelt beendete - denn die nächste beanspruchte meine Aufmerksamkeit zu sehr, als daß ich der letzten noch einen Gedanken widmen konnte.
Teils war dies der Grund, größtenteils aber andere Umstände, daß die Niederschrift dieses Mal nicht ganz so mühsam war wie gewöhnlich. Ich hatte ehrliche Freude daran, meinen jungen Mann aufwachsen zu sehen, zu beobachten, wie er zunahm an Vernunft und Festigkeit. Sooft sich meine Phantasie voll Spannung mit ihm beschäftigte, sah ich den jungen Burschen vor mir, dem alles neu war, der sich aller Spannkraft der Jugend erfreute - und, so lächerlich es klingen mag, es war tatsächlich so, daß er etwas davon auf mich übertrug. Und schließlich gab mir das Erreichte auch Befriedigung; die Teile fügten sich zueinander. Hätte ich je vorher haltgemacht, um nachzudenken, mochte mir die Vorstellung vielleicht Bestürzung eingejagt haben, daß ich da einen Jüngling erfinden mußte, der in jemanden hineinzuwachsen hatte, dessen Mannesalter uns schon gut bekannt war. Aber in der freudigen Erregung des Augenblicks war ich dieser Schwierigkeit gar
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