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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Nun aber war das Gehen hundertmal ermüdender als vordem. Nach zwei Stunden Arbeit war es für mich, als sei ich so viel gelaufen wie ein gesunder Mensch, wenn er fünfzig Meilen zurückgelegt hat.
    So ging es nicht, und es waren nur ein oder zwei Versuchstage nötig, um mir das zu beweisen. Glücklicherweise - es war wirklich ein großes Glück - fand ich (fast ganz unbewußt) durch Leid und Irrtum eine Lösung: Als Ergebnis jahrelanger Gewohnheit stehe ich auch jetzt auf, frage mich dann aber, ob der Punkt schwerwiegend genug ist, um einen Gang zu rechtfertigen - und schon dadurch klärt sich die Schwierigkeit meist auf. Sonst stehe ich aufrecht und schaue lange genug ins Leere, daß die Sitzgelenke sich lockern können, bis das, was ich schon geschrieben habe, meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, so daß ich mich wieder hinsetze und die letzten Abschnitte noch einmal durchlese. Schon das bringt mich meist über die augenblickliche Hemmung hinweg, wie ein Pferd, das verweigerte, den Sprung beim zweitenmal machen wird, wenn man ihm einen Blick auf das Hindernis gewährt und dann genügend Anlauf gibt.
    Das Buch war fertig. Während der Stunden der geistigen Verwirklichung hatte ich in einer Welt gelebt, in der Arterienverkalkung keine Rolle spielte. In den übrigen Stunden des Tages kam erst wieder die gewohnte Dumpfheit, die immer eintrat, wenn die eigenen Nöte nachließen, der dann aber das nicht zu unterdrückende Interesse an der Arbeit des nächsten Tages folgte. Drei Monate waren vergangen, und ich lebte noch - und was wichtiger war: die verflixte Krankheit war nicht schlimmer geworden. Ich aber hatte gelernt, daß es durchaus möglich war, auch als behinderter Mensch dem Rest des Lebens ruhig entgegenzusehen. Hornblower hatte mir unaussprechlichen Segen gebracht. In späteren Jahren konnte ich die Größe der Wohltat noch besser einschätzen, wenn ich das Buch wieder las, abgesehen von der unvermeidlichen Abneigung, mit der ich an frühere Arbeiten herangehe. Da liegt es vor mir, ein Buch voller Abenteuer, teils auch Spannung, eine Untersuchung über Tat und Verantwortung. Seine literarischen Verdienste stehen hier nicht zur Debatte (ich will nicht sagen: glücklicherweise), aber es ergibt sich der interessante Schluß, daß es kein unglückliches Buch ist.
    Ich glaube wirklich nicht, daß jemand vermuten kann, daß es von einem Manne geschrieben wurde, der gerade durch eine Periode tiefer Verdüsterung schritt. Ich muß hier noch hinzufügen, daß ich zu jener Zeit auch allerlei anderen, heftigen persönlichen Verdruß erlebte, auf den ich nicht weiter eingehen will. Die Tatsache, daß keine Andeutung davon in den Seiten des Buches zu finden ist, ist der klarste Beweis dafür, in welchem Maße die Tätigkeit des Schreibens einem helfen kann, zum Gefühl völlig veränderter Umstände zu kommen, und, wie ich schon sagte, auch ein Beweis für den Dank, den ich diesem Buche schulde. Zur Zeit, als ich den ›Kommodore‹ beendete, war die Welt ein vergnüglicherer Ort für mich geworden, und gleichzeitig lichteten sich die Wolken über der ganzen Welt mit dem Sieg der Alliierten über Deutschland und Japan. Ich hatte entdeckt, daß es durchaus möglich war, ein volles Leben zu leben, ohne je mehr als fünfzig Meter auf einmal zu gehen - und diese Gelegenheit möchte ich benutzen, um ein für allemal zu sagen, daß ich zwanzig Jahre mit dieser Behinderung gelebt und dabei nie aufgehört habe, mich des Lebens zu freuen.
    Ebenso wichtig war freilich, daß die Krankheit irgendwie zum Stehen gekommen war, obwohl ich schwer gearbeitet hatte. So fand der Optimismus wieder Eingang, und ich konnte zum Leben zurückkehren. Die erste Arbeit, die mir unter diesen neuen Verhältnissen übertragen wurde, kam - natürlich - im Auftrag der Alliierten Regierungen, und in gewisser Hinsicht waren die Darstellungen der Situation an sich höchst optimistisch. Mr. Churchill und Mr. Roosevelt waren überzeugt, daß die Hitler-Regierung und die Verteidigung Deutschlands am Zusammenbrechen waren. Jedem, der Zeitungen las, mußte es scheinen, als stünde dieser Zusammenbruch unmittelbar bevor; es war beruhigend, zu hören, daß die obersten Autoritäten ebenso dachten. Die gleichen höchsten Stellen nahmen jedoch an, daß nach dem Fall Deutschlands Japan sich noch lange verzweifelt verteidigen könnte. Ich verstand das nicht recht, denn in den Geographiestunden in der Schule war immer betont worden, daß Japan, wie England, als

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