Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe
bleiben. Um sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, lächelte sie. „Ich würde es mir sehr gern ansehen."
„Ich bin gleich wieder da." Er öffnete die Einstiegsluke und verschwand darin.
Bald wird er das wieder tun, dachte Libby. Darauf musste sie vorbereitet sein. Seltsam, aber sie bildete sich ein, er hätte ihr an diesem Morgen gesagt, dass er sie liebte. Das war ein schöner, tröstlicher Gedanke, aber sie wusste natürlich, dass Cal in Wirklichkeit nichts dergleichen geäußert haben konnte. Das war auch gar nicht möglich. Er mochte sie, vielleicht mehr als jeden anderen Menschen, aber er liebte sie nicht wirklich, jedenfalls nicht so sehr, wie sie ihn liebte.
Und weil sie ihn so liebte, wollte sie auch alles tun, um ihm zu helfen, wozu als Erstes gehörte, dass sie die Grenzen respektierte.
Sie hörte ein leises, metallisches Vibrieren. Die große Ladeluke öffnete sich. Auf einem kleinen, stromlinienförmigen Motorrad glitt Cal heraus, ohne den Boden zu berühren.
Das Fahrzeug gab ein Summen von sich, das wie vorbeirauschende Luft klang. In der Form erinnerte es entfernt an ein Motorrad, ohne so massig zu sein. Es besaß zwei Räder und einen schmalen, gepolsterten Sattel. Die metallicblaue Karosserie sah aus wie ein langer, gebogener Zylinder, der vorn in eine Art schlanke Lenkstange auslief.
Cal fuhr, nein schwebte zu Libby heraus, hielt dann an und machte ein Gesicht wie ein kleiner Junge, der sein erstes Mountainbike vorführte. „Es läuft großartig." Er drehte an den Handgriffen, und das Summen wurde lauter. „Möchtest du es einmal ausprobieren?"
Skeptisch betrachtete Libby die winzigen Anzeigen und Knöpfe unterhalb der Lenkstange. Es sah alles ein bisschen nach Spielzeug aus. „Ich weiß nicht recht."
„Nun komm schon, Libby." Er hielt ihr die Hand hin, weil er seine Freude mit ihr teilen wollte. „Es wird dir Spaß machen. Ich passe schon auf, dass dir nichts passiert."
Libby blickte erst ihn und dann das Gefährt an, das eine Handbreit über dem Waldboden schwebte. Es war eine kleine Maschine - falls das die richtige Bezeichnung für das Ding war, aber auf dem schmalen, schwarzen Sattelpolster war Platz für zwei. Eigentlich sah das Vehikel harmlos aus, und Libby bezweifelte, dass etwas so Kleines überhaupt genug Kraft besaß. Schulterzuckend nahm sie auf dem hinteren Teil des Sattels Platz.
„Halte dich gut an mir fest", empfahl Cal hauptsächlich deswegen, weil er ihren Körper an seinem fühlen wollte.
Die starken Vibrationen unter ihr erschreckten Libby. Aber das fand sie töricht. Cal sah schließlich auch harmlos aus. „Hornblower, sollten wir nicht lieber Helme oder..." Die Worte wurden ihr förmlich vom Mund gerissen, als die Beschleunigung einsetzte.
Libby wusste nicht, ob sie schreien oder sich lieber nur festhalten sollte. Sie entschied sich für Letzteres, drückte die Augen zu und umklammerte Cal so eisern, dass er lachen musste. Mit geübtem Geschick steuerte er das Flugrad einmal ums Schiff und dann den Abhang hinauf.
Der Rausch der Geschwindigkeit! Cal war ihm immer verfallen gewesen, aber diesmal widerstand er ihm und der Verlockung des Himmels, denn Libby würde mehr verängstigt als begeistert sein, falls er sie zu schnell zu hoch brachte. Er kurvte also nur um die Baumwipfel herum und sauste über Fels und Wasser. Ein Vogel hob sich ärgerlich keifend von einem Ast direkt über ihren Köpfen, anscheinend konnte er die fliegende Konkurrenz nicht vertragen.
Cal fühlte, dass Libbys Griff eine Spur lockerer wurde und dass sie das Gesicht nicht mehr zwischen seine Schulterblätter presste.
„Na, wie findest du das?"
Sie bekam schon fast wieder Luft. Es schien, als hätte sich ihr Magen dazu durchgerungen, an seinem Platz zu bleiben, jedenfalls für den Moment. Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen und machte sie gleich wieder zu.
„Ich finde, ich habe alles Recht, dich umzubringen, sobald wir wieder gelandet sind."
„Immer mit der Ruhe." Das Fahrzeug schwenkte dreißig Grad nach rechts, dann wieder nach links, und dann ließ Cal es weiter durch die Bäume tanzen.
Der hat gut von Ruhe reden, dachte Libby. Ein vorsichtiger Blick nach unten zeigte ihr, dass sie sich mehr als drei Meter über dem Boden befanden. Sie war drauf und dran, von Cal zu verlangen, dass er sie absetzte, doch dann traf es sie.
Sie flog! Nicht in einem riesigen Flugzeug eingeschlossen, sondern frei und leicht. Sie konnte den Wind in ihrem Haar fühlen, sie konnte den
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