Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe
seiner Rückkehr seine Erlebnisse berichtete? Der zufällige Entdecker, dachte Libby lächelnd. Wie Kolumbus, der nach Indien hatte segeln wollen und die Neue Welt entdeckt hatte.
Vielleicht würde man Cal auch als einen solchen
Helden feiern. Vielleicht würde sein Name dann auch in den Geschichtsbüchern zu finden sein. Wie ein Held sieht er ja jetzt schon aus, dachte Libby verträumt. Groß und stark. Der Verband auf seiner Stirn ließ ihn verwegen wirken, was durch die Bartstoppeln noch unterstrichen wurde - jedenfalls bis gestern Abend, denn da hatte er sich ja rasiert. Für mich, dachte sie glücklich.
Möglicherweise war er ja in seiner Zeit ein ganz gewöhnlicher Mann, der wie jeder andere auch seinem Beruf nachging, der morgens nur widerwillig aufstand, der manchmal ein bisschen zu viel trank und vergaß, seine Rechnungen zu bezahlen. Er war weder reich noch genial oder umwerfend erfolgreich. Er war einfach Caleb Hornblower, ein Mann, der vom Kurs abgekommen und zu etwas Besonderem geworden war.
Für Libby war er nicht nur irgendein beliebiger Mann. Für sie war er der Mann überhaupt. Sie wusste schon jetzt mit absoluter Sicherheit, dass sie nie wieder würde lieben können. Und das war auch gut so.
Zufrieden schob sie ihre Brille auf dem Nasenrücken höher und wandte sich wieder ihrem Computer und den Kolbari-Insulanern zu.
So fand Cal sie Stunden später vor. Sie war tief in eine Kultur versunken, die sich von ihrer genauso unterschied wie ihre von seiner.
Das Licht der Schreibtischlampe fiel über ihre Hände.
Starke, fähige Hände, dachte Cal, wahrscheinlich ein Erbteil ihrer Mutter, der Künstlerin. Die Finger waren lang, die Nägel kurz und nicht lackiert. Am rechten Daumenansatz befand sich eine kleine Narbe, die Cal schon einmal aufgefallen war und nach deren Ursache er hatte fragen wollen.
Als er jetzt zum Haus zurückgekommen war, hatte er sich todmüde gefühlt, nicht körperlich, aber geistig, denn die Zahlen und Berechnungen belasteten ihn sehr. Nachdem er nun aber Libby wieder sah, war alle Müdigkeit verflogen.
Während er gearbeitet hatte, war es ihm gelungen, nicht an sie zu denken, und deshalb hatte er auch gute Fortschritte gemacht. Er wusste jetzt mit einiger Sicherheit, was er tun musste, um wieder in seine Zeit zu gelangen. Er kannte die Unwägbarkeiten und Risiken. Und jetzt, bei Libbys Anblick, wusste er, welches Opfer er bringen musste.
Die Bekanntschaft mit ihr war nur sehr kurz gewesen. Es war überaus wichtig, dass er sich daran immer wieder gemahnte. Sein Leben fand nicht hier bei ihr statt. Er hatte ein eigenes Daheim, eine Identität. Er hatte eine Familie, die er mehr liebte, als ihm das bisher bewusst gewesen war.
Aber hier stand er nun, die Minuten verstrichen, und er betrachtete Libby. Er verfolgte jeden ihrer Atemzüge, jede ihrer Handbewegungen. Er sah, wie ihr Haar über den Nacken fiel und wie sie ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippte, wenn ihre Finger einen Moment pausierten. Hin und wieder fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar oder stützte das Kinn in die Hände und starrte den Bildschirm finster an. Cal fand alles, was sie tat, unbeschreiblich liebenswert.
„Libby." Seine Stimme klang angespannt.
Libby schreckte zusammen und fuhr auf ihrem Stuhl herum. Cal lehnte am Türrahmen. „Oh, ich habe dich nicht kommen hören." So glücklich war sie über seine Rückkehr, dass sie kaum richtig sprechen konnte.
„Du warst in deine Arbeit vertieft."
„Ja, scheint so." Als Cal in das Zimmer trat und sie seine Augen sah, beschlich sie ein ungutes Gefühl. „Und was macht deine eigene Arbeit? Bist du vorangekommen?"
„J a. “
„Du siehst irgendwie ärgerlich aus. Ist etwas schief gegangen?"
„Nein." Er neigte sich zu ihr hinunter und streichelte ihre Wange. Sein Gesichtsausdruck wurde sanfter. „Nein."
„Und deine Berechnungen?"
„Die nehmen Formen an." Libbys Haut fühlte sich so weich an und wurde unter seiner Hand wärmer. „Ich bin sogar weiter vorangekommen, als ich gedacht hatte."
„Oh." Ein Schatten flog über ihr Gesicht, doch ihre
Stimme klang fest und aufmunternd. „Das ist ja gut. Bist du mit dem Rad zurückgekommen?" Was für eine dumme Frage!
„Ja. Ich habe es in den Schuppen gestellt."
Am liebsten hätte sie ihn gebeten, sie noch einmal mitzunehmen, hoch hinauf im Licht des aufgehenden Mondes. Es würde wunderbar sein. Aber Cal sah so müde aus, so bekümmert.
„Ja, nun wirst du wohl hungrig sein." Libby schaute
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