Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe
doch nicht etwa wirklich einen Mittagsschlaf machen, oder?"
Lachend beugte sie sich so weit zurück, dass sie beide das Gleichgewicht verloren und in die großen, weichen Kissen fielen.
„Ich kann es gar nicht richtig fassen, dass meine Eltern noch ein Kind bekommen werden." Libby ließ sich ins Gras neben dem Bach fallen. „Sie sehen glücklich aus, nicht wahr?"
„Sehr glücklich." Cal ließ sich neben ihr nieder. „Mit Ausnahme der Momente, in denen mich dein Vater finster angesehen hat."
Leise lachend legte Libby den Kopf an seine Schulter. „Tut mir Leid. Er ist ein netter Mensch. Meistens."
„Wenn du meinst." Cal zupfte am Gras. Es spielte kaum eine Rolle, ob Libbys Vater ihn mochte oder nicht. Er, Cal, würde ja bald für ihn nicht mehr existieren. Und für Libby ebenfalls nicht.
Libby saß gern hier am Wasser, das frisch und kühl über die Steine plätscherte. Das Gras war lang und weich. Kleine blaue Blumen leuchteten hier und da an der Böschung. Im Sommer würde hier wieder mannshoher Fingerhut stehen und sich mit seinen violetten und weißen Blütenglocken über das Wasser neigen. Lilien und Akelei würden hier wachsen. In der Dämmerung würden Hirsche zum Trinken herkommen, und manchmal würde ein umherstreifender Bär hier Fische fangen.
Libby wollte nicht an den Sommer denken, sondern an das Hier und Heute. Jetzt war die Luft ebenso frisch wie das Wasser, das klar und sauber schmeckte. Streifenhörnchen flitzten durch den Wald. Die zutraulicheren unter ihnen hatten sich früher von ihr und Sunny füttern lassen.
Wohin Libby auch reiste, ob zu den abgelegensten Inseln oder in irgendwelche Wüstenorte, immer würde sie diese frühen Jahre ihres Lebens in Erinnerung behalten und sehr dankbar dafür sein.
„Das wird ein sehr glückliches Baby werden", sagte sie leise, und dann lächelte sie. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich vielleicht jetzt noch einen Bruder bekomme!"
Cal musste an seinen eigenen Bruder denken. „Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht."
„Dagegen hätte ich auch nichts, nur sind Schwestern immer hübscher als man selbst."
Er gab Libby einen Stoß, so dass sie umfiel. „Ich würde gern deine Sunny kennen lernen. Au!" Er rieb sich die Stelle an seiner Taille, wo sie ihn kräftig gekniffen hatte.
„Konzentriere dich gefälligst auf mich!"
„Ich tue ja nichts anderes." Er stützte einen Arm neben ihrem Kopf auf und betrachtete ihr Gesicht. „Ich muss jetzt trotzdem für eine Weile zu meinem Schiff zurückkehren."
Libby versuchte tapfer, sich den Kummer nicht anmerken zu lassen. Es war so einfach gewesen, so zu tun, als gäbe es kein Schiff und kein Morgen. „Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie du mit deiner Recherche vorangekommen bist."
Viel zu gut, dachte er. „Wenn ich nachher den Computer befrage, weiß ich mehr. Würdest du mich bei deinen Eltern entschuldigen, falls ich noch nicht zurück bin, wenn sie aufwachen?"
„Ich werde ihnen erzählen, du hättest dich zum Meditieren zurückgezogen. Das wird meinem Vater gefallen."
„In Ordnung. Und heute Nacht ..." Er küsste sie sanft. „Heute Nacht werde ich mich ganz und gar auf dich konzentrieren."
„Das ist aber auch das Einzige, was du tun wirst." Sie legte ihm die Arme um den Nacken. „Du wirst nämlich auf der Couch schlafen." „So?"
„ Ja."
„Ja, in diesem Fall..." Er glitt neben sie.
Das Kaminfeuer war fast heruntergebrannt, und im Haus war alles still.
Mitten in der Nacht saß Cal allein und noch angezogen auf der Couch. Er wusste jetzt, wie er nach Hause zurückkehren konnte. Nur noch einige mehr oder weniger wichtige Reparaturen, und er war startbereit. Technisch jedenfalls, aber gefühlsmäßig ... Noch nie hatte er sich innerlich so zerrissen gefühlt wie jetzt.
Falls Libby ihn zu bleiben bat ... Aber das würde sie nicht tun, und er konnte sie auch nicht bitten, mitzukommen. Vielleicht konnte er den Wissenschaftlern seiner Zeit neue Daten liefern, mit denen sich ein weniger gefahrvoller Weg durch die Jahrhunderte finden ließ. Möglicherweise konnte er dann eines Tages wieder hierher zurückkehren.
Er schüttelte den Kopf. Das waren Fantasien. Libby sah der Wirklichkeit ins Auge. Das musste er auch tun.
Er hörte ein Geräusch auf der Treppe, und als er sich umdrehte, stand Libbys Vater an der Tür.
„Können Sie auch nicht einschlafen, Hornblower?" fragte William.
„Nein. Sie auch nicht?"
„Nachts hat es mir hier früher immer besonders gut gefallen. Die Ruhe,
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