Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe
die Dunkelheit ..." Er legte noch ein Scheit aufs Feuer. Funken stoben auf. „Ich habe mir nie vorstellen können, jemals woanders zu leben."
„Und ich habe mir nie vorgestellt, dass ich an einem Ort wie diesem hier einmal leben könnte, und jetzt merke ich, wie schwer es ist, von hier fortzugehen."
„Philadelphia ist weit weg."
„Sehr weit."
Das klang so aufrichtig traurig, dass William es nicht überhören konnte. Er holte den Brandy und zwei Gläser aus dem Schrank. „Auch einen Drink?"
„Ja, danke."
William setzte sich in den Ohrensessel und streckte die langen Beine aus. „Hier habe ich nachts früher oft gesessen und über den Sinn des Lebens nachgedacht."
„Haben Sie ihn entdeckt?"
„Manchmal ja, manchmal nein." Er schwenkte seinen Brandy im Glas. „Lieben Sie Libby?"
„Diese Frage hatte ich mir gerade selbst gestellt", beantwortete er die Frage.
William trank einen Schluck. Dass dieser Hornblower offenkundig Zweifel und Bedenken hatte, war ihm lieber, als wenn er gleich eine glatte Erwiderung auf der Zunge gehabt hätte. „Und ? Haben Sie eine Antwort gefunden?"
„Ja, aber keine erfreuliche."
William nickte und hob sein Glas. „Ehe ich meine Frau kennen lernte, wollte ich ins Friedenskorps oder in ein tibetanisches Kloster eintreten. Caroline war gerade frisch aus der High School gekommen. Ihr Vater wollte mich erschießen."
Cal lächelte. Langsam fand er Geschmack an dem Brandy. „Heute Nachmittag war ich zeitweise ganz froh, dass Sie keine Waffe zur Hand hatten."
„Da ich eingefleischter Pazifist bin, habe ich einen solchen Gedanken zwar gehabt, aber gleich wieder verworfen", versicherte William. „Carolines Vater hingegen hat ihn ernsthaft gehegt. Ich kann es kaum erwarten, dem alten Herrn zu erzählen, dass sie wieder schwanger ist."
„Libby hofft, sie bekommt einen Bruder."
„Hat sie das gesagt?" William lächelte bei dem Gedanken an einen Sohn. „Libby war mein erstes Kind.
Natürlich ist jedes Kind ein Wunder für sich, aber das erste ... Ich glaube, darüber kommt man nie hinweg."
„Libby ist auch wirklich ein Wunder. Sie hat mein Leben verändert."
William horchte auf. Diesem jungen Mann war möglicherweise nicht bewusst, dass er sie liebte, aber er, William, zweifelte nicht daran.
„Caroline mag Sie", erklärte er. „Sie kann den Menschen ins Herz schauen. Ich will Ihnen noch eines sagen: Libby ist nicht so robust, wie es scheint. Gehen Sie behutsam mit ihr um." William stand auf, weil er fürchtete, er würde sich sonst noch zu einem längeren Vortrag hinreißen lassen. „Legen Sie sich schlafen", riet er. „Caro hat die Angewohnheit, bei Tagesanbruch aufzustehen und dann Pfannkuchen aus Vollkornmehl zu backen oder Jogurt-Kiwi-Müslis anzurühren." Er verzog das Gesicht. Seine Liebe zu Eiern und Speck würde nie vergehen. „Übrigens haben Sie bei ihr Punkte gemacht, so, wie Sie dieser Tofu-Kasserolle zugesprochen haben."
„Sie hat ja auch großartig geschmeckt."
„Kein Wunder, dass Caro Sie mag." Am Fuß der Treppe blieb William stehen. „Wissen Sie, was komisch ist? Ich besitze genau so einen Pullover wie Sie."
„Tatsächlich?" Cal konnte sich das Grinsen nicht verbeißen. „Die Welt ist doch klein."
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10. KAPITEL
I ch wusste, dass du so früh aufstehen würdest." Libby trat zur Hintertür hinaus und ging zu ihrer Mutter.
„So früh ist es gar nicht." Caroline seufzte, weil sie sich darüber ärgerte, dass sie den Sonnenaufgang verpasst hatte. „In den letzten Monaten bin ich morgens nicht so recht in Gang gekommen", erklärte sie.
„Morgendliche Übelkeit?"
„Nein." Lächelnd schlang Caroline den Arm um Libbys Taille. „Anscheinend haben alle meine Kinder beschlossen, mir so etwas zu ersparen. Habe ich dir schon einmal gesagt, wie sehr ich das zu schätzen weiß?"
„Nein.“
„Nun, so ist es aber." Sie küsste Libby auf die Wange, und dabei fielen ihr die leichten Schatten unter den Augen ihrer Tochter auf. Sie kommentierte das aber nicht, sondern nickte zu den Bäumen hinüber. „Ein kleiner Spaziergang?"
„Ja, gern."
Sie schlenderten nebeneinander her, und die Glöckchen, die Caroline am Handgelenk und an den Ohren trug, klingelten fröhlich. Alles ist noch so wie früher, dachte Libby, die Bäume, der Himmel, die Hütte. Und dennoch hat sich viel verändert. Für einen Augenblick legte sie den Kopf an die Schulter ihrer Mutter.
„Erinnerst du dich noch daran, wie du, Sunny und ich früher immer auch so
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