Hornjäger (German Edition)
Herzen alles Gute gewünscht.
Die kleine Familie war so lange vor dem Haus stehen geblieben, bis sie auf ihren Pferden ganz hinter den Hügeln verschwunden waren. Euphena für ihren Teil würde sie wohl nie ganz vergessen ... und sie war sich sicher, Helwyr, auch nicht!
»Was kann ich für euch tun?« Marezza klappte das Büchlein, in dem sie gerade gelesen hatte, zu und blinzelte gegen die Sonne zu ihnen hinauf.
»Es geht um Nuori, er ...« Euphena stockte. Sie zögerte, die Gräfin so vor den Kopf zu stoßen.
»Was ist mit ihm?« Marezza erhob sich von dem gedrungenen Steinmäuerchen, auf dem sie bis jetzt gesessen hatte.
»Er ...« Euphena räusperte sich. »Er ist euer Sohn, nicht wahr?«
Man sah Marezza an, dass sie bemüht war, ihre Überraschung unter einer Maske der Gleichgültigkeit zu verbergen. Ganz gelang es ihr nicht.
»Folgt mir!« Sie raffte ihre Röcke und ging forschen Schrittes hinüber zum Tor ihrer Residenz. Euphena und Helwyr hatten beinahe Mühe ihr zu folgen. Erst im Gang mit den Bildern, in dem Euphena festgenommen worden war, blieb Marezza stehen.
»Es war ein Fehler, ja!« Energisch wies sie auf das ungleiche Paar unter dem Teppichwasserfall. »Aber ich bereue es kein Stück!«
Sie eilte weiter in ihr Schlafgemach. Euphena und Helwyr folgten ihr.
»Setzt euch!« Marezza schloss von innen die Tür und wies auf zwei gemütlich wirkende Polsterstühle vor dem Kamin. Sie selbst blieb stehen und umfasste das Buch, in dem sie eben gelesen hatte, etwas fester.
»Es war an einem Nachmittag im Frühling vor sieben Jahren.« Ihr Blick schweifte in die Ferne. »Ich war gerade dabei mit meinen engsten Freundinnen einen Ringelreihen für ein Fest zu üben ...« Marezza lächelte plötzlich verträumt und fuhr sich durchs Haar. »In jenen Tagen war ich noch die unterwürfige Grafengattin, deren Hauptaufgabe darin bestand, wunderschön zu sein und tagein tagaus lieblich zu lächeln.« Abrupt sah sie die beiden an. »Versteht mich bitte nicht falsch, es waren gute Jahre! Man behandelte mich zuvorkommend und voller Respekt ... nur mein Gemahl hatte kaum Zeit für mich. Er führte und lenkte das Volk und vergaß dabei auf ... nun ja, auf mich eben.«
Unwillkürlich dachte Euphena an das leicht verwahrloste Pummelchen im Sternenzimmer, das die Bäckchen voller Apfelkuchen von seiner Marezza geschwärmt hatte.
»An besagtem Nachmittag waren wir also alleine auf der buckeligen Weide am Waldesrand, knapp hinter dem Schloss.« Die Gräfin wies mit dem Kopf in die Richtung. »Als meine Freundinnen die Gehörnten erblickten, liefen sie Hals über Kopf zurück in die Stadt. Aus irgendeinem Grund bewegten sich meine Beine nicht. Vermutlich war ich fasziniert von der Wildheit dieser Kreaturen ... die langen Hörner und ihre struppigen Bärte, diese einmaligen Augen ... all das faszinierte mich wohl, ich die ich sonst nie etwas zu sehen bekam, das grässlich oder schmutzig war.«
Verträumt schlenderte Marezza zu ihrem Bücherregal und hielt sich daran fest, um nicht in ihrer Erinnerung zu ertrinken.
»Der eine mit den Bocksbeinen interessierte sich überhaupt nicht für mich, aber der andere nahm mich bei der Hand und führte mich an die Quelle des Sees ...« Gedankenverloren schob sie das Buch in die schmale Lücke zwischen die anderen. »Ich fühlte mich einsam in diesen Tagen, niemand kümmerte sich um mich oder schenkte mir mehr als höfliche Aufmerksamkeit. Ich liebe meinen Mann, das habe ich immer getan ... aber ich konnte das Geschehene auch nicht rückgängig machen. Es war gar nicht leicht die Schwangerschaft vor ihm geheim zu halten!«
Sie wandte sich wieder Euphena und Helwyr zu und setzte sich auf ihre Bettkante gegenüber. Mit einem Seufzen stützte sie ihr Gesicht auf ihren Knien ab. »Ich übergab Nuori den Müllersleuten. Er sollte dort aufwachsen, wo ich seinen Vater kennengelernt hatte. Es schmerzt mich ihn nicht selbst großziehen zu können, aber nach allem, was mein Ehemann für mich getan hat, konnte ich ihm das nicht antun. Vielleicht kann ich ihn ja eines Tages zu mir nehmen ... irgendwann.« Marezzas Stimme wurde zu einem Flüstern. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich besuche ihn, sooft ich kann ... ich sehe ihm gerne beim Spielen am Fluss zu und die Müllersleute akzeptieren meine Anwesenheit.«
»Deshalb habt Ihr meinen Worten bei der Verurteilung auch Glauben geschenkt.« Jetzt fiel es Euphena erst auf: Nuori hatte auf Helwyrs Schulter gesessen, als er zu Marezza gesprochen
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