Hornjäger (German Edition)
für die Wildnis schloss sie nicht aus, gleich in der ersten Nacht von einem Wolf verspeist zu werden. Ein äußerst unangenehmer Gedanke.
Euphena gab sich einen Ruck. Entschlossenen Schrittes trat sie auf den Hof und setzte sich in ihren Wagen. Fengus hatte ihr eine Eskorte zu ihrem Schutz zur Verfügung gestellt, von Astos persönlich geführt! Etwas ungewöhnlich für ein einfaches Mädchen ...sogar ein wenig verdächtig. Wenn Astos Weisung erhalten hatte sie im Auge zu behalten, durfte sie ihm keinesfalls vertrauen. Als Anführer ihrer Eskorte würde er erfahren, was er musste, aber kein Stück mehr.
Euphena griff nach dem Anhänger, den Pollia ihr aufgedrängt hatte. Es war ein Silberamulett, ziseliert, mit einem blauen Glasstein in der Mitte. Für schwere Zeiten ; hatte ihre alte Freundin gesagt.
Mit einem Rumpeln fuhr das Wägelchen an. Ein brauner Wallach zog sie in Richtung des Südtores. Hinter ihr vernahm sie das monotone Hufgetrappel ihrer sechs Begleiter.
Euphena lehnte sich aus dem Wagenfenster. Gemächlich zogen die Bürgerhäuser mit ihren gemütlichen Ecken und Nischen, die sie so liebte, an ihr vorbei. Einige Menschen starrten die kleine Gruppe an, während sie sich durch die Straßen dem Südtor näherten.
Es war ein komisches Gefühl, die Stadt zu verlassen. Euphena war bis jetzt so gut wie nie vor die Tore gekommen. Höchstens beim großen Ackerfest oder besonders langen Festumzügen. Trotzdem spürte sie einen Hauch der Erleichterung, als sie die schweren Stadtmauern hinter sich ließen und ihre Kutsche durch die weniger dicht besiedelten Vororte rumpelte. Fengus hatte es sich scheinbar nicht anders überlegt. Aber erst als sie auf die Landstraße einbogen, fühlte sie sich ganz in Sicherheit.
Jetzt konnte sie sich ganz und gar auf ihre bevorstehende Aufgabe konzentrieren. Auch wenn sie nur das gute Leben im Palast gewöhnt war, konnte sie es mittlerweile kaum noch erwarten sich wilden Bestien zu stellen und unter freiem Himmel zu schlafen ... so schwer konnte das schließlich nicht sein!
Sie würde sich von den reichen Früchten des Waldes ernähren und schlussendlich, den König der Gehörnten besiegen und dann im Triumph nach Hause zurückkehren! Je weiter sie kamen, desto schlichter und einsamer wurden die Häuser. Euphena hätte große Lust gehabt auszusteigen und querfeldein in Richtung der Wälder zu rennen. Aber da das ihre Absätze wohl nicht mitmachen würden, entschied sie sich dazu damenhaft in der Kutsche zu bleiben.
Der erste Tag verlief schrecklich ereignislos. Sie nahmen die Straße nach Süden, um sich dann später den Weg nach Westen zu bahnen. Ab und zu kamen sie an einem Dörfchen vorbei, das sich eng in die sanfte Heidelandschaft schmiegte. Euphena war noch nie in diesem Teil des Reiches gewesen. Aber es sah genauso aus, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie war überglücklich. In diesem Moment hätte sie die ganze Welt umarmen können!
Gewissenhaft kramte sie aus ihrem Bündel die Notizen zum Aigidenvolk hervor. Alles was sie in der Eile an Information auftreiben hatte können, hatte sie mit auf die Reise genommen. Das Herzstück ihrer Unterlagen bildete die Karte. Es war ihr Glück gewesen, dass das Stubenmädchen beim Staubwischen so lange Finger bekommen hatte. Immerhin hatte Euphena jetzt eine vage Idee, in welcher Richtung sie überhaupt suchen sollte.
Ein weiterer Glücksgriff war eine alte Zeichnung, die sie in einem Folianten über die Geschichte des Königshauses gefunden hatte. Soweit die Legende erzählte, hatte ein Vorfahr von Fengus selbst, einst gegen den sagenhaften Aigidenkönig gekämpft. Wie die Sache ausgegangen war, wurde meist verschwiegen. Vor allem wenn der König anwesend war. Auf dem Bild war eine der Bestien dargestellt. Auf seinem Kopf trug der Krieger zwei Hörner und langes Haar fiel ihm wie Zotteln über die Schultern. Sein grimmiger Blick verhieß nichts Gutes, genauso wenig wie die Reißzähne, die das Wesen mit einem grausamen Grinsen fletschte. In seinen Klauen hielt es einen abgerissenen Menschenkopf.
Euphena schauderte. In der anderen hielt es einen Spieß, länger als zwei Männer, mit Wiederhaken und Dornen versehen. Sonst war auf der ungenauen Darstellung nicht viel zu erkennen. Ein Bein steckte in einem Stiefel der königlichen Armee, das andere war voller Warzen und endete in einem Bockshuf. Na wunderbar! Sie war unterwegs zu einem menschenköpfeabreißenden Volk, das kaum Spuren von Zivilisation aufwies!
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