Hornjäger (German Edition)
sein, hatte sie darüber noch nie nachgedacht.
»Und Ihr, Fräulein ... Ihr habt die außerordentliche Ehre diese schmale Kammer mit mir, Gefelerius dem Gaukler von den Feuerfalken zu teilen! Künstler, Unterhalter, guter Esser und Held einsamer Herzen! Aber für Euch kurz: Gefl. Wenn es beliebt ...«
»Es beliebt!« Sagte Euphena gespielt ernst. Aber dann musste sie plötzlich lachen. »Wir sind schon zwei schöne Vögel!«
»Jawoll! Ihr eine Schwalbe und ich ein Sperber!« Gefl redete in derselben theatralischen Stimme weiter, mit der er sich soeben angekündigt hatte. »Allerdings hat man mir die Flügel gestutzt.«
»Ach Kopf hoch! Wir kommen hier schon raus! Bis jetzt ist es noch immer gut ausgegangen, außerdem habe ich jemanden hinter diesen Mauern, der mir helfen wird.« Euphena war bemüht, ihre Stimme möglichst fest klingen zu lassen.
»Ah, sehr gut, Ihr seid soeben, von der Resignationsphase in die Trotzphase übergegangen. Bei mir hat das drei Tage gedauert ... Ihr seid schnell!« Gefl zog seine Beine unter sich. »Euphena, ich rate Euch: Gewöhnt Euch an diese Mauern. Freunde sind etwas wert, solange man unter ihnen weilt. Wird man in ein Loch wie dieses hier geworfen, vergessen sie unglaublich schnell, dass man eine Familie ist. Nein, nein ... wenn man sich nicht selbst hilft, ist man in dieser Welt verloren!«
»Ich weigere mich, das zu glauben! Vielleicht solltet Ihr weniger in Selbstmitleid baden und selbst anfangen zu kämpfen! Helft Euch selbst, wie Ihr es gerade so schön formuliert habt!« Sollte Gefelerius doch denken, was er wollte, aber ihren Mut durfte er ihr nicht nehmen, solange sie noch welchen besaß!
»Es wird mir eine Freude sein, Euch morgen dabei zuzusehen, wie Ihr Euer Schicksal von diesem Kerkerabteil aus selbst in die Hand nehmt. Vielleicht kann ich von der großen Unbekannten, die man Nächtens in meine Zelle geworfen hat, ja noch etwas lernen!«
Sein Spott tat Euphena weh.
»Geht mit gutem Beispiel voran, vielleicht folge ich Euch dann!«
»Kann man denn gar nichts tun?«, fragte sie ihn verunsichert.
»Solange die Gräfin nicht da ist, wird auch kein Schiedsspruch gefällt und die besucht gerade irgendwen ... und das schon seit zwei Wochen. Die Sache könnte sich also etwas hinziehen. Wenn sie überhaupt jemals wieder auftaucht ...«
»Was meint Ihr damit?«
»Ach nichts ... Richtet Euch einfach auf Gefängnisfraß und viel Zeit zum Nachdenken ein, dann seid Ihr auf der sicheren Seite.«
Das waren äußerst trübe Aussichten. Euphena gähnte verhalten. Der Tag war schon viel zu lang gewesen.
»Da ich nicht annehme, dass Ihr das Bett mit mir teilen wollt, überlasse ich Euch die Pritsche.« Gefelerius deutete mit einer Hand an die Wand unter dem Fenster, an der ein morsches Holzbrett an zwei Eisenketten befestigt war. »Ist zwar nicht sonderlich bequem, aber dafür nagen einen die Mäuse nicht so an.«
Euphena nickte und schleppte sich hinüber. Das Holz knarzte gefährlich, als sie sich darauf austreckte. »Danke, Gefelerius«, flüsterte sie leise.
»Kein Problem. Hab mich schon an die Mäuschen gewöhnt, bin gerade dabei sie für eine neue Nummer zu trainieren, aber irgendwie sind die hier nicht so intelligent, wie ich es gerne hätte.« Er seufzte und streckte die Arme.
Sofort umwehte Euphenas Nase der beißende Geruch eines ungewaschenen Mannes. Na wunderbar, Wasser schien es hier auch nicht allzu viel zu geben. Sie seufzte und schloss die Augen. Um den Rest würde sie sich morgen kümmern. Jetzt wollte sie sich nur noch der bleiernen Schwere ihrer Glieder hingeben und in eine schmerzlose Dunkelheit sinken.
G ib mir noch einen!« Müde hob Helwyr eine Hand, die andere schob er unter seinen Kopf, damit er auf der verbrauchten Holzbudel besser lag.
»Saufen bringt doch nichts, Junge!« Der Wirt unterbrach das Schwätzchen, das er soeben auf ein Eichenfass gestützt mit einem Gast gehalten hatte, der ganz offensichtlich öfter hier war und sich somit die Erlaubnis ersessen hatte, auch hinter der Schanktheke stehen zu dürfen.
»Wenn du das gerade wirklich gesagt hast, bist du ein echt schlechter Wirt.« Helwyr hickste leise.
Viele der Anwesenden lagen bereits bewegungslos in irgendwelchen Ecken, oder waren schon kichernd nach Hause getorkelt. Aber obwohl Helwyr stockbesoffen war, wusste er genau, wie viele Menschen im Raum waren, wo potentielle Waffen lagen und wann die Stadtwache wieder an der offenen Wirtshaustür vorbeikommen würde. Gewohnheiten
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