Hornjäger (German Edition)
Potential dazu hatte sie auf jeden Fall.
»Aber wenn sie es nicht ist, was ist es dann?« Der Wirt lehnte sich noch ein Stückchen weiter nach vorne, um auch ja nichts zu verpassen. Helwyrs rätselhaftes Problem schien ihn zu faszinieren. Auch die Dirne stand noch bei ihnen und hatte sich nicht wieder zu ihren Freundinnen gesellt, die gerade laut schnatternd dabei waren einen potenten Kunden aus der Reserve zu locken.
»Mein Problem ist dieses schmierige Stück Scheiße am hinteren Ende einer halbtoten Kuh!«, verkündete Helwyr theatralisch. Er selbst war entsetzt über seine Wortwahl und gleichzeitig froh, dass Euphena das nicht gehört hatte.
»Und wer ist das?«, bohrte die Dirne weiter nach.
»Ich weiß nicht, wie er heißt.« Helwyrs Gemurmel ging fast in dem Weinbecher unter, den er sich von ihr stibitzt hatte. Seine Kehle war verflucht trocken.
Es war Zeit sich irgendwo schlafen zu legen. Am besten vor dem Festungstor der Gräfin, damit er hörte, wenn Euphena nach ihm rief und er Marezza abfangen konnte, sobald sie nach Hause zurückkehrte.
»Ja, aber wer ist er, Junge? Sag’s doch endlich!« Offensichtlich hielt der Wirt Spannung nicht gut aus. Helwyr schnaubte. Gut, dass er Wirt geworden war und kein Krieger!
»Ich meine diesen unfähigen Hauptmann mit dem Schnurrbart!« Er explodierte. »Dieser elende Hundsfott! Hätte ich eine Stadt zu verwalten, die mir am Herzen liegt, würde ich sie jemandem anvertrauen, der zumindest Augen im Kopf und Eier in der Hose hat!« Helwyr knallte den Becher auf den Tresen. Jetzt wollte er nach Hause!
»Vielleicht wollt Ihr das dem elenden Hundsfott persönlich ins Gesicht sagen?«
Helwyr fuhr herum. Hinter ihm stand der Hauptmann der Wache in Begleitung der Patrouille und wackelte verärgert mit seinem Schnurrbart. Er fluchte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt!
»Ich habe Euch doch gesagt, macht hier keinen Ärger, Ihr mieses Stück Rinnsteindreck!« Der Hauptmann kam mit langen Schritten auf ihn zu und streckte ihm seine Nase ins Gesicht. Sofort umwehte Helwyr ein herber Duft nach Pfeifenkraut und ungeputzten Zähnen.
»Männer! Nehmt diesen Halunken fest!«
Helwyr fluchte. Warum hatte er nicht besser aufgepasst und hatte sich so hinreißen lassen?
»Mein Herr, das habt Ihr alles missverstanden ...« Helwyr hob belehrend seinen Zeigefinger. Wenn nur der Boden endlich aufhörte zu schwanken! »Es ist nämlich so:« vorsichtig beugte sich Helwyr nach vorne und umfasste den Hauptmann kameradschaftlich an den Schultern.
»Ihr könnt mich gleich verhaften«, erklärte er den umstehenden Wachsoldaten, die noch nicht recht wussten, was sie von der Situation halten sollten. »Ich muss nur noch klarstellen, dass ...«
»Ihr braucht hier gar nichts klarzustellen!«, schrie der Hauptmann empört, sodass die lange Feder auf seinem Barrett heftig wippte. »Das Einzige, was hier klargestellt werden muss, ist, dass ich Satisfaktion verlange! Und zwar unverzüglich, Ihr Wurm!«
Aus der hinteren Ecke des Raumes kam ein verärgertes »Schschhhh!« Er machte sich gar nicht erst die Mühe nachzusehen, wer das war. Ein Betrunkener glich dem anderen. Helwyr rieb sich über seine Narbe. Wie sollte er da jetzt wieder rauskommen? Wenn nur der Seegang zwischen seinen Ohren etwas nachlassen würde, aber er war selbst schuld! Er hätte rechtzeitig aufhören können, aber nein!
»Ich respektiere Euren Wunsch«, sagte Helwyr laut zum Hauptmann und brachte sich unauffällig in Reichweite der Tür. Wenn er schnell war, konnte er es vielleicht schaffen. Zumindest wenn er nüchtern gewesen wäre! So sah die Sache ein bisschen anders aus ... wie auch immer, ein Versuch war es wert!
Blitzschnell zog Helwyr dem Hauptmann das Barrett über die Augen und sprintete zum Ausgang. Glücklicherweise stand die Tür ohnehin offen. Er sprang zwischen zwei Soldaten durch, stieß sie zur Seite und prallte mit voller Wucht gegen einen Hünen im Türrahmen. Helwyr kam ins Taumeln und landete mit dem Hintern auf der Schwelle. Enttäuscht biss er die Zähne zusammen.
»Helwyr, du Narr!«, schalt er sich selbst. Es waren sechs gewesen, nicht fünf! Einer hielt Wache, während die anderen eine Gesellschaft aufräumten. Bewährtes Prinzip!
»Wie bitte?« Der Hauptmann, der sich inzwischen von seinem Barrett befreit hatte, kam schnaubend und hochrot im Gesicht auf ihn zugestürmt.
Helwyr ließ ihn herankommen, bis er direkt vor ihm stand. So schnell er konnte, versetzte er ihm von unten einen Tritt vors
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