Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
sagte er. „Bei diesem Thema habe ich in der Schule nie aufgepasst. Ich wollte immer fliegen, sonst nichts. Und als ich den Job bei Emirates bekam, war ich glücklich wie Larry.“ Er lächelte kurz.
„Apropos Larry – so heißt der Pilot. Larry Carter. Er ist ein netter Typ, wenn man davon absieht, dass er mir nicht wirklich vertraut. Er hat mir zum Beispiel nie die Codes verraten, mit denen ich in den Bordcomputer komme, was der Grund ist, wieso ich hier herumsitze, statt irgendwo hinzufliegen, wo es ein bisschen netter ist.“
„Was ist in Dubai passiert?“, fragte Richard.
„Dazu wollte ich gerade kommen, Richard. Willst du auch einen Scotch?“
„Nein danke.“ Es war lange her, seit Richard das letzte Mal Alkohol getrunken hatte, und wenn es ein kaltes Bier gewesen wäre, hätte er vielleicht eingewilligt. Aber die Vorstellung, in diesem engen verqualmten Raum mitten am Tag warmen Whisky ohne Eis zu trinken, ekelte ihn ein wenig an.
„Was in Dubai passiert ist, liegt schon eine ganze Weile zurück“, erklärte der Kopilot. „Es ging pleite. Anfangs gab es hier Öl, aber die Vorkommen waren schnell erschöpft. Was aber nichts machte, weil Dubai inzwischen zum Spielplatz der Superreichen geworden war, einer Art Wunderland der Geschäfte, des Shoppings und der Immobilien. Sie haben diese Inseln in Form von Palmen erschaffen und die Multimillionen-Dollar-Häuser darauf wurden an Hollywoodschauspieler und Supersportier verkauft. Habt ihr den Burj Khalifa im Stadtzentrum gesehen? Na, der ist ja auch schwer zu übersehen, stimmt’s? So war alles hier. Alles musste das Größte und Höchste sein, das Teuerste und Beste. Es heißt, dass eine Zeit lang zehn Prozent aller Kräne der Welt hier in Dubai eingesetzt waren. Aber die wurden auch alle gebraucht, um das Wunderland aus dem Wüstenboden zu stampfen.
Allerdings war das Ganze nicht so wundersam, wie alle dachten. Als die Wirtschaftskrise begann, blieben die Popstars und Footballspieler weg. Die Hälfte der protzigen Häuser stand plötzlich leer und diese Palmeninseln haben ohnehin nie vernünftig funktioniert, weil sie die Gezeiten gestoppt haben und den Leuten auf einmal klar wurde, dass sie von Abwasser umgeben waren. Dann brach die Wirtschaft zusammen. Niemand ging mehr einkaufen. Und jetzt kommt der Witz. Geschäftspleiten waren in Dubai gesetzlich verboten. Konkurs anzumelden galt als Verbrechen. Und dann sind sie alle eines Tages aufgewacht und mussten feststellen, dass ganz Dubai pleite war.
Daraufhin sind alle abgezogen. Weggefahren. Oder geflogen. Manche sind sogar auf Kamelen weggeritten. Sie haben alles mitgenommen, was sie tragen konnten – ihr habt sicher gesehen, dass die meisten Geschäfte ziemlich leer geräumt sind. Aber für Leute wie mich ist immer noch genug da. Falls du eine nette Rolex haben willst, Richard, oder vielleicht etwas Diamantschmuck für deine junge Freundin, dann kann ich euch zeigen, wo ihr sie findet. Es gibt auch noch massenweise Essen und Wasser. In dieser Stadt gibt es alles! Nur keine Menschen.“
„Und wo ist der Pilot?“, fragte Richard. „Mir scheint, dass du ohne ihn hier festsitzt.“
„Stimmt“, bestätigte Martins. „Ich schätze, dass ich diesen Metallhaufen in die Luft bekommen würde. Ich habe schon öfter daran gedacht. Aber Tatsache ist, dass ich hier besser aufgehoben bin … zumindest, solange der Alkohol reicht. Dann werde ich weitersehen.“ Er griff nach seinem Glas. „Larry war ein Idiot, aber solange er nicht zurückkommt, kann ich nicht viel tun.“
Er kippte sich den Whisky in den Hals, schluckte und verzog das Gesicht. Es war schwer zu sagen, ob ihm der Alkohol Freude oder Schmerzen bereitete.
„Ich sagte, dass alle von hier verschwunden sind“, fuhr er fort. „Aber so ganz stimmt das nicht. Dubai hatte immer eine Königsfamilie. Ihr wisst schon, einen Scheich. Und der Typ, der auf dem Thron saß, als alles den Bach runterging, war Scheich Raschid Al Tamim. Er hat einen Palast am Dubai-Fluss, obwohl die Aussicht auf das ausgetrocknete Flussbett wohl nicht mehr so prickelnd ist.“
Er schenkte sich einen weiteren Whisky ein.
„Er ist immer noch da. Mit seiner Frau und ein paar Kindern. Und seinem Stab aus Ministern und Beratern. Scheich Raschid ist ein wichtiger Mann. Abgesehen davon, dass er hier der König ist, ist er auch Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate und Vizepräsident des Obersten Rates der Union. Er hat eine ganze Armee militärisch ausgebildeter
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