Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
ihr da hingeht. Ihr werdet es brauchen.“
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Das Casino lag an der Baniyas Road und die umstehenden Wolkenkratzer überragten das flache Gebäude. Hätte es hinter den vielen Fenstern der Hochhäuser Hinweise auf irgendwelche Bewohner gegeben, hätten sie wohl nicht so bedrohlich gewirkt. Aber in diesen menschenleeren Häuserschluchten hatte Scarlett das Gefühl, durch einen riesigen Friedhof zu laufen. Die tote Stadt hatte etwas Bedrohliches an sich.
Das Casino sah aus, als stammte es von einem anderen Planeten. Es war in Rot und Gold gehalten und leuchtende Neonbuchstaben wiesen es als DUBAI CASINO aus. Allerdings waren einige der Neonröhren durchgebrannt und deshalb blinkte ihnen die Aufschrift DUBAI SIN entgegen.
Früher hatte man vom Casino aus auf den breiten Kanal hinausschauen können, der durch die Stadt verlief, und Scarlett versuchte sich vorzustellen, wie dort Wassertaxis verkehrt und weiße Jachten am Anleger geschaukelt hatten. Aber jetzt war das Wasser fast versiegt und es waren nur zwei schlammige Uferböschungen übrig geblieben, an deren tiefstem Punkt sich eine dunkelgrüne Schleimspur entlangzog. Ein paar Boote waren noch da, aber sie lagen auf der Seite. Die Eleganz und Schönheit, die dieser Ort seinen Besuchern einst vorgegaukelt hatte, war längst verschwunden.
Richard und Scarlett hatten sich in einem der verlassenen Geschäfte neu eingekleidet. Richard trug teure Designerjeans, ein Polohemd und Turnschuhe. Scarlett hatte sich für ein knöchellanges Seidenkleid und ein passendes Kopftuch entschieden. Martins hatte sie gewarnt, ihre Arme und ihren Kopf bedeckt zu halten. Die beiden parkten ihren Wagen etwas abseits und gingen die letzten paar Hundert Meter zu Fuß. Richard ließ den Schlüssel im Land Cruiser für den Fall, dass sie sich schnell verdrücken mussten. Seinen Rucksack mit dem wertvollen Messer hatte er im Kofferraum versteckt.
Am Eingang hatte ein Portier Dienst – erst der zweite Mensch, den sie seit ihrer Ankunft gesehen hatten. Trotz der abendlichen Hitze trug er einen langen Mantel mit übergroßen Goldknöpfen, Schulterklappen und einen Hut. Als die beiden bei ihm ankamen, begrüßte er Richard auf Englisch.
„Guten Abend, Sir. Willkommen im Dubai Casino.“
Das war der erste Vorgeschmack auf den Irrsinn, den Martins beschrieben hatte. Sie waren aus dem Nichts gekommen, aus einer menschenleeren Stadt. Und obwohl sie neu eingekleidet waren, hatten sie keine Möglichkeit gehabt, sich zu waschen. Richard hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Sie sahen beide nicht gerade erstklassig aus und rochen vermutlich auch nicht nach Rosen. Und doch behandelte sie der Mann in der schicken Uniform, der ihnen bereits die Tür aufhielt, wie Stammkunden, die soeben aus einem chauffeurgesteuerten Rolls-Royce gestiegen oder zu Fuß vom nahe gelegenen Sheraton Hotel gekommen waren.
Sie gingen an ihm vorbei in den Empfangsbereich, der ganz in Glas und Marmor gehalten war. Die kalte Brise aus einer Klimaanlage kroch unter die Seide von Scarletts Kleid und ließ sie frösteln. Hier waren noch mehr Männer, überwiegend Araber: ein Empfangschef mit schwarzer Krawatte und dunkler Sonnenbrille und drei oder vier weitere in den traditionellen weißen Roben und Kopfbedeckungen. Die Männer unterhielten sich wie alte Freunde, die sich zufällig begegnet waren, aber auch hier spürte Scarlett eine gewisse Aufgesetztheit. Diese Leute waren nervös. Sie mussten gewinnen, wenn sie essen und trinken wollten. Dies war kein geselliger Abend. Sie alle waren der Gnade des Scheichs ausgeliefert, der sie beim Spielen genau beobachten würde.
Scarlett und Richard passierten eine Schwingtür zwischen zwei Skulpturen – schweren goldenen Palmen. Einer der Türsteher bemerkte Richard und nickte ihm höflich zu. An der Tür war ein Metalldetektor, durch den alle Gäste hindurchgehen mussten. Etwas abseits tastete ein Wachmann gerade mit ausdruckslosem Gesicht eine Frau in einem engen Glitzerkleid ab. Ein riesenhafter bärtiger Mann in einem arabischen Gewand passierte die Eingangskontrolle mit einem winzigen Chihuahua auf dem Arm, der ein protziges Platinhalsband trug. Richard und Scarlett tauschten einen Blick. Hier waren Worte überflüssig. Dieses Casino war eindeutig verrückt.
Aber sie brauchten das Flugzeug. Und wenn sie fliegen wollten, brauchten sie den Piloten. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Also gingen sie durch den Metalldetektor und traten ein.
Sie landeten in einem
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