Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
ihr nicht dasselbe verlangt hatte.
Der nächste Gang war eine Auswahl traditioneller arabischer Gerichte, darunter gefüllte Weinblätter, Rotkohl, Falafel, Streichkäse und Pfannkuchen. Scarlett hatte keinen Appetit, zwang sich aber zum Essen. Seit ihrer letzten Mahlzeit waren zwölf Stunden vergangen und sie hatte keine Ahnung, wann sie das nächste Mal etwas bekommen würde. Sie warf Richard einen Blick zu und musste feststellen, dass auch er ohne rechte Begeisterung aß.
Plötzlich beugte sich Scheich Raschid über sie. Er war mittlerweile ziemlich betrunken, konnte kaum noch geradeaus schauen und lächelte schief. Trotz der Klimaanlage schwitzte er den Alkohol aus. Scarlett konnte die Schweißperlen sehen. An seinen Lippen und in seinem Bart hing Kaviar.
„Nun, Miss Scarlett“, begann er. „Woher kommst du?“
„Ich war in Kairo“, antwortete Scarlett, denn das erschien ihr die einfachste und sicherste Antwort.
„Kairo! Ich hörte, dass es dort Probleme gibt. Die Menschen gehen sich gegenseitig an die Kehle. Ich werde dir sagen, welchen Fehler sie dort gemacht haben. Nicht genug Angst! Das Volk von Dubai liebt mich, aber es fürchtet mich auch. Morgen wirst du wissen, warum.“
„Was passiert morgen?“, hakte Scarlett nach.
„Es gibt da einen Mann, einen Australier, der versucht hat, mich zu bestehlen. Sein Name ist Larry Carter.“ Er sprach die beiden Namen langsam und angewidert aus. „Und morgen Mittag werde ich ihn auf dem Meydan Sportplatz hinrichten lassen. Ich werde ihn bei lebendigem Leibe kochen lassen. So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen. Ich denke, es wird ein denkwürdiges Ereignis.“
Einer der Leibwächter reichte ihm ein gefülltes Weinblatt. Er hatte bereits ein Ende davon abgebissen. Der Scheich stopfte sich den Rest davon in den Mund.
„Möchtest du auch kommen?“
„Ich bin kein großer Fan von Hinrichtungen“, wehrte Scarlett ab.
„Du wirst dich schon daran gewöhnen.“ Der Scheich kaute und schluckte. „Du bist ein sehr hübsches Mädchen, Scarlett.“ Er beugte sich über sie und ergriff ihr Handgelenk. Es kostete Scarlett ihre ganze Selbstbeherrschung, sich ihr Entsetzen und ihren Ekel nicht anmerken zu lassen. „Ich will, dass du bei mir bleibst.“
„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein“, entgegnete Scarlett. Alles an diesem Mann widerte sie an. Es war, als säße man neben einer Nacktschnecke. „Richard und ich müssen zurück nach Kairo.“
„Ich glaube, du hast mich nicht verstanden.“ Plötzlich waren seine Augen ganz schwarz und sein Wahnsinn nicht mehr zu übersehen. „Ich will nicht, dass du gehst.
Du hast etwas an dir, das mich fasziniert. Du tauchst aus dem Nichts auf. Beim Roulette gewinnst du ein Vermögen …“
„Ich habe gar nichts gewonnen“, widersprach Scarlett. „Sie haben es mir weggenommen.“
„Aber nur, weil du betrogen hast. Ich habe irgendwie den Eindruck, dass du einen Blick in die Zukunft werfen konntest. Ich will unbedingt wissen, wie du das gemacht hast, Scarlett. Ich freue mich schon darauf, dich besser kennenzulernen. Ich will dich an meiner Seite haben.“ Er verstärkte seinen Griff um ihr Handgelenk. Ihm war plötzlich ein neuer Gedanke gekommen. „Ich will, dass du meine Frau wirst!“
„Ich dachte, Sie sind schon verheiratet.“
„Jaheda langweilt mich.“
„Ich bin erst fünfzehn!“
„Im Jemen, in Ägypten und vielen Teilen der Golfregion werden die Mädchen schon mit zehn verheiratet!“
Scarlett riss sich los. „Das ist sehr nett von Ihnen“, sagte sie und machte aus ihrer Verachtung keinen Hehl. „Aber ich bin nicht interessiert.“
Raschids Gesicht verdüsterte sich. Er starrte sie an und seine schwarzen Augen durchbohrten sie förmlich. Plötzlich waren seine Lippen so dicht an ihrem Ohr, dass nur sie hörte, was er zu sagen hatte. „Dies ist mein Königreich“, zischte er. „Ich nehme mir alles, was ich will. Niemand widerspricht mir. Ich habe eine Entscheidung getroffen was dich angeht, Scarlett, und wenn du versuchst zu entkommen, werde ich dich einsperren und dein Freund – der Mann, mit dem du gekommen bist -wird geköpft. Verstehst du mich? Du hättest nicht herkommen sollen, wenn du nicht bereit bist zu bleiben. Ich, und nur ich, werde dir sagen, wann du gehen darfst.“
Er nahm sein Glas und hielt es zum Nachschenken hin. Einer der Dienstboten sprang herbei, doch in seiner Eile verschüttete er etwas Champagner. Die gelbe Flüssigkeit spritzte auf Raschids
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