Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
bin.“
„Ich wünschte, du wärst weggeblieben“, knurrte George. „Niemand hat dich gebeten, herzukommen. Und woher kommst du eigentlich? Wir wissen gar nichts über dich.“
„Das reicht …“, begann Rita.
Aber Jamie war schon aufgesprungen. „Glaubst du, dass ich hier sein will?“, brüllte er und plötzlich hatte er Tränen in den Augen. „Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. Ich habe meinen Bruder verloren. Und meine Freunde. Ich wäre viel lieber woanders.“ Bevor ihn jemand aufhalten konnte, stürmte er hinaus. Wir hörten die Haustür zuschlagen.
Noch mehr Ärger. In etwa einer halben Stunde wurde es dunkel. Nach Einbruch der Dunkelheit durfte keiner mehr draußen sein.
John und Rita sahen mich an und irgendwie wusste ich genau, was sie von mir hören wollten. „Ich gehe ihm nach“, sagte ich.
„Holly …“, flehte George.
Aber ich war schon auf dem Weg durch die Haustür hinaus auf die Straße. Es war noch hell genug, um das Dorf zu sehen, aber die Farben verblassten bereits. Heute Nacht schien kein Mond und Sterne sah man sowieso fast nie … da war zu viel Zeug in der Atmosphäre. Ich blickte mich um. Keine Spur von Jamie und auch niemand, den ich fragen konnte, ob er ihn gesehen hatte. Aber das machte nichts. Ich hatte eine Ahnung, wohin er gegangen war.
Ich rannte zum Friedhof, ging durchs Tor und folgte dem Pfad bis an die Seitenwand der Kirche. Dort fand ich ihn. Er stand an seiner verdammten Tür und hielt mit einer Hand den Griff umklammert. Im Näherkommen sah ich, wie er die Tür hinter sich schloss, was mir verriet, dass er wieder einmal hindurchgegangen war -ohne dass sie ihn irgendwohin befördert hatte. Er sah mich kommen und schaute auf.
„Du musst zurück ins Haus“, sagte ich. „Wenn es dunkel ist, darf niemand mehr draußen sein, und du hast schon genug Ärger am Hals.“
Er nickte. „Es tut mir leid, dass ich deinen Freund geschlagen habe.“
„Du bist auch mein Freund.“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Hat er wirklich angefangen?“
„Irgendwie schon. Er hat schon die ganze Woche lang gestichelt. Aber das ist keine Entschuldigung. Er war gereizt, weil … ach, ich weiß auch nicht. Er glaubt, dass ich eine Bedrohung für ihn bin.“
„Bist du?“
„Nein. Ich will nur wieder weg.“
„Weg wohin? Jamie, warum erzählst du mir nicht die Wahrheit über dich? Woher kommst du? Was hat es mit dieser Tür auf sich?“
Er überlegte kurz. „Du wirst mir sowieso nicht glauben.“
„Du kennst mich doch kaum. Wie kannst du so was behaupten?“
„Weil mir niemand glauben würde. Ich verstehe es selbst kaum.“
„Erzähl schon!“
Er wollte es mir nicht sagen. Das konnte ich ihm ansehen. Aber andererseits würde es ihm helfen, es in Worte zu fassen. Und wenn er nicht damit herausrückte, was ihm passiert war, würde er immer allein bleiben.
„Wir waren zu fünft“, sagte er. „Ich. Mein Bruder Scott. Ein Junge namens Matt. Pedro. Und ein Mädchen. Ihr Name ist Scarlett. Wir kannten uns nicht. Wir lebten viele Tausend Kilometer voneinander entfernt. Matt in England. Pedro in Peru. Scarlett in Hongkong. Dort war ich auch, bevor ich herkam.
Wie soll ich dir das erklären, Holly? Womit soll ich anfangen? Scott und ich lebten allein in Reno – das ist eine Stadt in Nevada, in den USA. Wir sind Zwillinge und schon in jungen Jahren erkannten wir, dass wir etwas Besonderes waren. Du brauchst mir nicht zu glauben, wenn du nicht willst, aber ich sage die Wahrheit. Wir hatten die Fähigkeit, die Gedanken des anderen zu lesen. Telepathie nennt man so etwas. Und wir hatten diesen Onkel, der Geld mit uns verdient hat, indem er uns auftreten ließ. Das haben wir jeden Abend gemacht. Billige Zaubertricks, von denen die Leute dachten, dass es wirklich nur Tricks waren, obwohl es in Wirklichkeit tatsächlich so etwas wie Zauberei war. Wir hatten nicht das beste Leben, aber wenigstens hatten wir einander. Wir haben immer davon geträumt, dass wir weglaufen würden, sobald wir achtzehn wären. Darüber haben wir immer wieder geredet.
Das hat sich geändert, als plötzlich diese Typen hinter uns her waren. Die Nightrise Corporation. So nannten sie sich. Es waren normale Geschäftsleute – zumindest sahen sie so aus. Männer in Anzügen. Aber sie arbeiteten für jemand anders, nämlich für diese – Kreaturen. Es waren Monster. Sie waren das absolut Böse. Und nicht von dieser Welt.“
„Du meinst … es waren Aliens?“
„Nein. Keine
Weitere Kostenlose Bücher