Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
Explosion in der Nähe der Tankstelle. Wir gingen auf den Fluss zu, also genau in die entgegengesetzte Richtung, die ich gewählt hätte, denn dieser Weg führte vom Wald weg. Aber ich wagte nicht, mit dem Reisenden zu diskutieren. Stattdessen konzentrierte ich mich nur auf das rote Tuch, das er um den Hals trug. Damit war er leicht zu erkennen, und wenn ich nur darauf starrte, musste ich den Horror nicht sehen, der sich rund um mich herum abspielte.
Weitere Granaten schlugen ein. Der Boden bebte. Ich wartete auf den Einschlag, der unsere kleine Gruppe treffen und auslöschen würde. Ich konnte fast nichts mehr sehen, weil mir Staub und Sand in die Augen geflogen waren, und in meinen Ohren gellte ein anhaltendes schrilles Kreischen. Ein Mann wurde hochgeschleudert, wirbelte durch die Luft und landete ein paar Meter vor mir. Es war der Vikar, Reverend Johnstone. Erst kniete er wie im Gebet und dann sah es aus, als würde er sich hinlegen, um zu schlafen. Ich fragte mich, ob er wohl wusste, dass seine Kirche zerstört worden war. Ich wollte bleiben und ihm helfen, aber der Reisende war schon an ihm vorbeigegangen und ich hatte keine Wahl – ich musste ihm folgen.
Wir kamen an die Kreuzung mit der Kneipe. Sie stand noch, obwohl hier die erste Explosion stattgefunden hatte, bei der der Generator in die Luft geflogen war. Hier war es etwas stiller … jedenfalls waren hier weniger Menschen – das große Gemetzel fand auf dem Marktplatz statt.
Ich war nicht sicher, ob mein Gehör überhaupt noch funktionierte. Ich schaute zurück und sah, dass das ganze Dorf in Flammen zu stehen schien. Das Mündungsfeuer der Maschinenpistolen blitzte weiß auf. Wir blieben stehen. Jamie wirkte wie gelähmt. Vielleicht gab er sich die Schuld an dem, was hier passierte. Für ihn musste das alles noch schlimmer sein, weil er glaubte, dass er dafür verantwortlich war.
„Wir können nicht stehen bleiben“, sagte der Reisende. Seine Lippen bewegten sich und ich erkannte die Worte, obwohl ich sie kaum hören konnte. „Wir müssen weiter.“
Wir eilten den Hügel hinab. Ich wurde ständig nervöser. Was sollte uns dort unten erwarten? Ein stehender Fluss und ein Hausboot, das sich nicht mehr bewegte, weil wir schon vor einer Ewigkeit das Pferd gegessen hatten, das benötigt wurde, es zu ziehen.
Ein weiterer Einschlag. Noch mehr Schreie – aber nun weiter entfernt und auch nicht mehr so häufig. Es waren weniger Dorfbewohner zum Töten übrig. Zum Glück schienen sie uns übersehen zu haben. Außerdem war es hier unten stockdunkel.
„Was ist mit dem Licht passiert?“, fragte ich.
„Ich habe den Generator gesprengt“, sagte der Reisende. „Und jetzt bewegt euch.“
Vor uns lag der Fluss, ein schwarzes Band, in dem sich der Feuerschein spiegelte. Es gab keine Strömung. Das Wasser war ölig und tot. Ich konnte es auch riechen. Schon seit Jahren hatte der Fluss diesen widerlichen Geruch, der ausreichte, jeden zur Umkehr zu veranlassen. Am Anleger angekommen, versuchte ich mir einzureden, dass außer uns niemand hier unten war, dass uns keiner verfolgt hatte. Aber ich glaubte es nicht. Es war, als wäre die Nacht lebendig und beobachtete uns. Es war bestimmt nicht so einfach. Sie würden uns sicher nicht entkommen lassen.
„Wohin jetzt?“, fragte Jamie.
Viel Auswahl hatten wir nicht. Wenn wir weiterliefen, würden wir im Wasser landen und ertrinken … falls es uns nicht zuerst vergiftete. Es gab ein paar Gebäude - ein altes Lagerhaus und das Büro des Hafenmeisters, das in ein Wohnhaus umgebaut worden war. Wir konnten dem Treidelpfad nach links oder rechts folgen. Allerdings endete er in beiden Richtungen recht bald und es hatte natürlich mit voller Absicht niemand etwas gegen die Brennnesseln und den Schlamm getan.
„Hier lang“, der Reisende zeigte nach rechts.
„Wartet“, stieß ich hervor. Mein Hörvermögen war zurückgekehrt.
„Was?“
„Da ist jemand …“
Der Reisende blieb stehen und sah sich suchend um. Es war am Fluss fast stockdunkel und man konnte nur vage Schatten und Umrisse erkennen. Seine Hand sank zu seinem Gürtel und ich sah, dass er eine Waffe trug, eine Machete oder ein Schwert. Mir war klar, dass nicht ich es war, um die er sich Sorgen machte. Er hielt sich dicht an Jamies Seite und passte auf ihn auf.
„Du hast dich geirrt“, sagte er.
„Ich habe jemanden gehört.“
Und genau da tauchte der Polizist aus der Dunkelheit auf. Ich sah, wie er an seine Schulter griff, und eine Sekunde
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