Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
Es ist nur recht, dass Sie heute alle hier sind, denn dies ist der Tag, an dem Sie belohnt werden.“
Der Vorsitzende sprach ohne Mikrofon, aber seine Stimme trug trotzdem bis in die hinterste Reihe. Und obwohl die Hälfte der Anwesenden seine Sprache nicht beherrschte, verstand jeder von ihnen genau, was er sagte. Wie das möglich war? Diese Frage wollte niemand stellen. Tatsache war, dass die Antwort ihnen zu viel Angst machte.
Und wen interessierte das schon? Das letzte Wort – Belohnung, reward , recompensa, avrauoißn – war alles, was sie hörten und was sie erneut applaudieren ließ. Darauf hatten sie alle gewartet. Nur darum ging es schließlich.
Jonas Mortlake klatschte ebenfalls, aber viel langsamer, und seine schmalen weißen Hände rieben sich aneinander. Er fragte sich, wieso der Vorsitzende diese Scharade abhielt. Vielleicht nur, weil es ihm Spaß machte. Diese Leute … die Senatoren und Staatsmänner, Bankiers und Geschäftsleute, Millionäre und Milliardäre, Politiker und Königsmacher – was für Dummköpfe sie alle waren! Sie saugten jedes Wort auf. Die Frauen hinter ihm klatschten so begeistert in die Hände, dass ihre Brüste wippten und ihre Ohrringe klimperten. Der Mann neben ihm benahm sich wie ein aufgeregtes Kind.
„Ich möchte mit Ihnen über die Alten sprechen“, fuhr der Vorsitzende fort, nachdem wieder Ruhe eingekehrt war. „Wer sind sie? Woher kommen sie? Was wollen sie? Ich fürchte, es gibt keine einfachen Antworten auf diese Fragen. Ich denke, man könnte sagen, dass es sie schon immer gegeben hat. Sie sind wie eine Naturgewalt. Es gibt genügend Menschen, die sie als das pure Böse bezeichnen würden – aber dann muss ich Sie fragen, was genau bedeutet böse? Ich meine, sie haben gut genug für uns gesorgt – da stimmen Sie mir sicher zu. Drei Viertel der Weltbevölkerung verhungern. Wir haben Nahrung im Überfluss. Millionen Menschen haben kein Wasser. Wir trinken Champagner. Frauen und Kinder sterben im Krieg, während wir uns Boni auszahlen und immer reicher werden. Wir können also zusammenfassen, dass die Definition von ‚böse’ vom Standpunkt des Betrachters abhängt.
Für uns ist nur wichtig, dass die Alten vor etwa zehntausend Jahren auf die Erde gekommen sind – lange bevor die erste Bibel geschrieben wurde. Sie hatten ihre eigene Bibel. Am Anfang war das Wort und dieses Wort war … töten, zerstören, vernichten, verseuchen. Wieso? Weil das ihre Natur ist. Es ist das, was sie lieben. Und dabei helfen ihnen Männer und Frauen wie wir. Den Alten war es immer wichtig, unsichtbar zu bleiben. Sie wollten sich nie als Feind zu erkennen geben, um nicht zu riskieren, dass sich alle gegen sie verbündeten. So wie sie es sahen, war der größte Feind der Menschheit der Mensch selbst, und sie sollten nicht auf die Idee kommen, dass ihnen jemand dabei half, ihre eigene Art auszurotten.
Vor zehntausend Jahren war die Welt ein erstaunlicher Ort, meine Damen und Herren. Es gab eine so hoch entwickelte Zivilisation, dass alles, was wir heute vorzuweisen haben, ungefähr so bedeutend ist wie ein Slum in Mumbai. Es gab Kunst und Poesie und Städte voller wunderschöner Bauwerke. Die Menschen lebten in Frieden miteinander. Was sich jedoch schnell änderte, als die Alten erschienen. Sie zerstörten diese Welt so gründlich, dass spätere Generationen keine Spur mehr von ihr fanden. Natürlich sind ein paar Erinnerungen überliefert worden. Die Menschen sprechen noch heute von Atlantis. In der Bibel steht die Geschichte von der Arche Noah. Oder Sodom und Gomorrha. Aber im Grunde ist alles weg. Ausgelöscht.
Der Plan der Alten war es, den Planeten auszusaugen, bis kein einziges Bakterium mehr da war. Das war ihr Ziel. Aber im letzten Augenblick, als es nur noch ein paar Tausend Überlebende gab, kam es zu einer Rebellion gegen sie, angeführt von den letzten Personen, die man erwarten würde. Es waren keine Erwachsenen, es waren Kinder! Ja, ich sehe die Verblüffung in Ihren Gesichtern und kann sie gut verstehen. Vier Jungen und ein Mädchen. Sie haben alle Überlebenden vereint und gegen die Alten gekämpft.“
Der Vorsitzende zögerte, als könnte er selbst nicht glauben, was er jetzt sagen musste.
„Und sie haben gesiegt!“
Er griff nach seinem Wasserglas und nippte daran. Die Delegierten saßen schweigend da und beobachteten, wie das Wasser qualvoll langsam seine Kehle hinunterrann.
„Wie Sie sich vorstellen können, waren dies keine normalen Kinder“, fuhr der
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