Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
fiel auf, dass sie disziplinierter wirkten als sonst. Er spürte die Anspannung, die in der Luft lag. Er und Scarlett wurden in ein Hinterzimmer geführt, das von einem runden Tisch beherrscht wurde, auf dem sich Papiere und Akten türmten. An allen Wänden hingen Karten, von denen die meisten Kairo und Umgebung zeigten. In einer Ecke brummte ein alter Kühlschrank vor sich hin. Der Strom fiel zwar immer wieder aus, aber im Moment schien er zu funktionieren. Im Raum roch es nach Zigarettenrauch und Schweiß. Auf dem Boden lag ein schäbiger Teppich und es standen ein paar Stühle herum.
Der Mann, der auf sie wartete, war jung und gut aussehend. Das war Scarletts erster Eindruck. Seine Kleidung war halb militärisch: Armeejacke, Jeans und Kampfstiefel. Um den Hals trug er ein Baumwolltuch, das er sich vors Gesicht ziehen konnte, wenn er im Sandsturm unterwegs war. Er hatte kurz geschnittene schwarze Haare, braune Augen und ein Gesicht, das überwiegend aus geraden Linien zu bestehen schien: das Kinn, die Wagenknochen und sogar die Augenbrauen. Er war ungefähr dreißig Jahre alt. Das Bild, das Scarlett gesehen hatte, musste vor etwa fünf Jahren aufgenommen worden sein. Er hatte etwas an sich, das Vertrauen erweckte, obwohl er noch kein Wort gesprochen hatte. Vielleicht lag es an seinen Augen, die selbstsicher blickten, aber auch Mitgefühl erkennen ließen. Bei ihm waren zwei weitere Männer – älter, wettergegerbt, bärtig –, die kein Wort sagten. Tarik dominierte den Raum.
„Du bist Scarlett Adams“, sagte er. Seine Stimme war sanft, sein Englisch perfekt.
„Ja.“
„Und Sie sind Richard Cole. Mr Remy hat mir alles über Sie erzählt. Ich bin wirklich froh, dass Sie beide hier sind. Ich muss gestehen, dass es Zeiten gegeben hat, in denen ich mich gefragt habe, ob die Geschichten über Sie tatsächlich wahr sind, aber meine Männer haben mit eigenen Augen gesehen, wie Sie aus der Pyramide gekommen sind. Wir kennen die Gestaltwechsler und müssen wohl akzeptieren, dass die Welt nicht mehr so ist, wie sie einmal war, und dass wir gegen einen Feind kämpfen müssen, der unseren schlimmsten Albträumen entsprungen ist und uns dazu zwingt, unsere Überzeugungen zu revidieren.“ Er deutete auf den Tisch. „Bitte, möchten Sie sich setzen? Ich habe veranlasst, dass Tee gebracht wird. Es ist wichtig, dass wir reden.“
Richard und Scarlett setzten sich an den Tisch und einen Moment später kam ein Soldat mit einer Metallkanne mit dampfendem grünen Tee herein, den er in kleinen Gläsern servierte. Scarlett musste dabei an eine andere Gelegenheit denken, bei der man ihr dasselbe Getränk angeboten hatte. Allerdings war sie da die Gefangene von Father Gregory vom Kloster Ruf nach Gnade gewesen. Jetzt war das natürlich anders. Tarik war ein Freiheitskämpfer. Er war hier, um ihnen zu helfen. Doch als sie das heiße Glas entgegennahm, blitzte die Erinnerung wieder auf und ihr lief ein kalter Schauder über den Rücken.
„Sie sprechen sehr gut Englisch“, stellte Richard fest.
„Meine Großmutter war Engländerin. Ich habe es schon als Kind gelernt.“ Tarik schien das Thema zu langweilen und er wandte sich Scarlett zu. „Ein Chirurg der Volksarmee hat eine Kugel aus deinem Gehirn operiert“, sagte er und musterte sie eingehend. „Ohne seine Hilfe wärst du sicher gestorben. Du solltest dankbar sein.“
„Ich bin sehr dankbar“, versicherte ihm Scarlett.
„Und doch sterben hier jeden Tag Menschen. Sie haben nicht so viel Glück wie du. Ägypten war Demokratie versprochen worden, aber Feldmarschall el-Akkad hat sie uns gestohlen. Jeder, der es gewagt hat, etwas gegen ihn zu sagen, wurde eingesperrt oder getötet und dieser Krieg war schließlich alles, was uns geblieben ist.“
„Ich tue, was ich kann, um Ihnen zu helfen.“ Scarlett wusste nicht genau, wieso sie das sagte, aber es kam ihr richtig vor.
Tarik nickte langsam. „Tust du das? Alles, was du kannst?“
„Der einzige Weg, die Alten zu besiegen, besteht darin, die Fünf wieder zusammenzubringen“, mischte sich Richard ein. „Wir müssen Scarlett durch die Pyramide zurückschicken und nach den anderen suchen.“
Tarik sah Richard mit undurchdringlicher Miene an. „Das dürfte unmöglich sein. Unsere Feinde kennen das Geheimnis der Tür und bewachen sie gut. Scarlett ist ihnen einmal entkommen. Sie werden nicht zulassen, dass das ein zweites Mal passiert.“
„Kann sie fliegen? Wir haben Flugzeuge gesehen …“
„Die Flugzeuge
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