Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
wir werden uns vielleicht nicht wiedersehen“, sagte Tarik. „Wir müssen überlegen, was wir tun können, und ich lasse Bescheid geben, sobald ich einen Plan habe.“
Das war alles. Tarik warf Scarlett einen letzten Blick zu und ging weg. Als er fortging, riss einer der Soldaten in einer fast trotzigen Geste die Faust hoch und plötzlich machten alle Männer im Lager die gleiche Geste. Sie skandierten seinen Namen, wiederholten ihn immer wieder und wieder, während er in einen wartenden Jeep sprang und sich zum Tor fahren ließ. Erst im letzten Augenblick hob auch er zum Abschied die Hand. Das Metalltor wurde zur Seite gezogen, der Jeep verschwand in einer Sandwolke und er war weg.
Remy sagte kein Wort und Scarlett zweifelte nicht daran, dass er von ihrer Entscheidung enttäuscht war, egal, was Tarik dazu gesagt hatte. Richard legte ihr den Arm um die Schultern.
„Du hast das Richtige getan“, sagte er leise.
„Bist du sicher?“
Scarlett hatte natürlich gemerkt, wie Tarik sie vor seiner Abfahrt angesehen hatte. Er war der Held dieser Leute. Er kämpfte für ihre Freiheit. Und er war auf ihrer Seite. Aber er hatte dennoch keinen Zweifel daran gelassen, dass er wütend auf sie war, und sie fragte sich, welche Konsequenzen das wohl haben würde.
15
Zwei Tage später, als die Abendsonne die Sandwolken orange aufglühen ließ, kam Tanks ranghöchster Offizier zu ihnen. Sie wussten, dass sein Name Samir war, aber darüber hinaus hatte er nichts von sich erzählt. Vielleicht gab es auch sonst nichts über ihn zu wissen. Er war Tarik treu ergeben. Für ihn verkörperte der Mann alles, woran er glaubte.
Seit ihrer Begegnung mit Tarik hatten Scarlett und Richard kaum mit jemandem gesprochen, denn selbst wenn nicht alle Einzelheiten ihres Gesprächs die Runde gemacht hatten, waren sie doch davon überzeugt, dass die Leute wussten, dass sie sich nicht einig geworden waren und Scarlett sich geweigert hatte zu kooperieren. Man brachte ihnen immer noch Essen und Wasser. Ein Arzt war gekommen, um einen letzten Blick auf Scarletts Wunde zu werfen. Aber davon abgesehen wichen die Männer ihnen aus und verzogen sich jedes Mal, wenn sie in ihre Nähe kamen.
Nur Albert Remy hielt ihnen die Treue und schien sich keine großen Sorgen über das zu machen, was geschehen war.
„Natürlich war er enttäuscht, aber Tarik ist ein bemerkenswerter Mann“, sagte er. „Er hat sein ganzes Leben seinem Volk gewidmet und würde alles tun – alles verlangen –, was seiner Sache hilft. Es fällt ihm schwer einzusehen, dass der Krieg, in dem wir kämpfen, der Krieg gegen die Alten, bedeutender ist als sein Krieg hier in Ägypten. Ich bin sicher, dass er es irgendwann begreift. Wir müssen die anderen finden, das ist jetzt das Wichtigste. Matt und Pedro, Scott und Jamie. Wenn die Fünf wieder vereint sind, wird sich alles zum Guten wenden.“
Aber es gab keine Spur von den anderen vier. Wann immer sie konnte, suchte Scarlett in der Traumwelt nach ihnen, doch sie war jedes Mal ganz allein in der wüstengleichen Landschaft. Nur einmal entdeckte sie jemanden, doch als sie auf ihn zueilte, war es nur wieder der Mann mit dem Hemd und der Anzugweste, der schon einmal aufgetaucht war, als sie noch im Krankenhaus gelegen hatte. Er drehte ihr auch diesmal das Gesicht zu, zeigte ihr seine dunkle Sonnenbrille und die Goldzähne und murmelte dasselbe Wort: „Fünf!“ Sie war froh, aus diesem Traum zu erwachen.
Tagsüber verbrachten Richard und sie manchmal eine volle Stunde damit, schweigend in den wirbelnden Sand hinauszustarren, als würden Matt und die anderen plötzlich auftauchen, nur weil sie es sich wünschten. Der Sand wirbelte unaufhörlich. Von ferne waren Schüsse zu hören. Von Zeit zu Zeit kam ein Jeep angerast und dann wurde ein zerfetzter, blutüberströmter Körper auf eine Trage geladen und eilig ins Lazarett getragen. Aber was auch immer um sie herum vorging, sie waren kein Teil davon.
Dann war da noch die Frage, wie es um Scarletts Kräfte stand. Ob sie tatsächlich in der Lage war, das zu tun, was Tarik von ihr verlangt hatte? Richard musste sie fragen und tat es, als sie zusammen zu Mittag aßen.
„Ich weiß es nicht, Richard“, antwortete Scarlett. Ihr Mittagessen bestand aus Fladenbrot, etwas Käse und einer Dipsoße aus Kichererbsen und Knoblauch. „Ich glaube, ich verfüge noch über eine gewisse Kraft. Erinnerst du dich an heute Morgen – so gegen elf Uhr?“
„Der Sturm hat sich ein paar Minuten
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