Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch
Laufenden gehalten. In der spirituellen Welt gibt es keine Zeit. Die Geister wussten, dass ihr zehn Jahre in der Zeit vorausgeschickt worden wart und dass wir nur lange genug überleben mussten, bis ihr wieder auftaucht.“
„Entschuldigen Sie“, sagte ich. Eigentlich hatte ich sie nicht unterbrechen wollen, aber ich konnte nicht einfach hinnehmen, was sie gerade gesagt hatte. „Wollen Sie damit sagen, dass Sie mit Geistern sprechen?“
Miss Ashwood nickte knapp, als wäre die Frage ohne Bedeutung und die Antwort offensichtlich. Dann fuhr sie fort. „Ein Jahr nachdem ihr verschwunden wart, wurde Großbritannien am neunten Mai von einer Serie schmutziger Bomben getroffen – zum Teil atomar, zum Teil biochemisch. Bis zum heutigen Tag wissen wir nicht, wer hinter diesen Anschlägen steckt. Es können religiöse Extremisten gewesen sein. Oder sonst wer. Für die Überlebenden spielt das keine Rolle. Die Regierung wurde vollständig ausgelöscht. Jegliche Infrastruktur brach zusammen. Um die gleiche Zeit kam es auf der ganzen Welt zu einer Reihe von Katastrophen. Gewaltige Vulkanausbrüche in Japan. Überschwemmungen in Europa und Australien. Hungersnöte in Amerika. Die Pest in China. Es war, als wären die vier Reiter der Apokalypse erschienen – nur dass es vierhundert Reiter auf durchgehenden Pferden waren. Wir waren auf uns allein gestellt. Niemand kam uns zu Hilfe.
Ich wurde ursprünglich von Sir James Tarrant hergebracht. Du erinnerst dich vielleicht an ihn, Jamie. Er war der Polizeichef von London und ein guter Mann. Er starb vor zwei Jahren an einem Herzanfall. Anfangs waren wir etwa ein Dutzend, aber uns haben sich weitere Leute angeschlossen. Im Laufe der Jahre hatten wir sieben Todesfälle zu beklagen – die meisten infolge von Expeditionen an die Oberfläche.
Wir haben hier ausgeharrt und zugesehen, wie die Alten das vernichteten, was von unserem Land noch übrig war. In gewisser Weise gehörten wir zu den Glücklichen. Wir besaßen ein riesiges Lager mit Vorräten und haben unbegrenzt Wasser zur Verfügung … wir haben unser eigenes Aufbereitungssystem. Wir haben Treibstoff und elektrischen Strom. Wir sind in der Lage, unsere eigene Nahrung zu produzieren, sowohl unterirdisch als auch an der Oberfläche. Wir haben sogar Bücher, DVDs und Computerspiele.
Trotzdem war es nicht leicht. Ein Leben wie dieses kann einen verrückt machen – so viele von uns, zusammengewürfelt, lebendig begraben. Aber wir hatten ein gemeinsames Ziel. Gelegentlich haben wir von den anderen Bunkern gehört. Wir mussten aber immer sehr vorsichtig sein, weil die Gefahr bestand, dass unser Funkverkehr abgehört wurde. Aber dennoch hatten wir Hoffnung. Wir wussten genau, dass die Fünf eines Tages zurückkehren würden.
Als sich die Dinge vor sieben Jahren ein wenig beruhigt hatten, habe ich Graham Fletcher losgeschickt, um eine Tür im Osten Englands zu bewachen, in der St. Botolph’s Kirche. Er hatte alles auf der Lady Jane, was er dazu brauchte, und der Fluss und das Kanalsystem würden es ihm erlauben, das Land ungesehen zu durchqueren. Es war viel verlangt, aber es ging nicht anders. Er musste die Tür finden, dort warten, bis einer der Fünf auftauchte, und ihn dann hierher bringen. Das ist ihm gelungen. Und obwohl er die ganzen Jahre von seinen Freunden und seinem Bruder getrennt war, hat er nie an seiner Mission gezweifelt. Es gibt also vieles, für das wir ihm dankbar sind.“
„St. Meredith’s steht noch“, sagte Jamie.
Ich staunte, wie selbstbewusst er auftrat. Er hatte sich alles angehört und keine Miene verzogen. Ich flippte innerlich total aus und er war die Ruhe selbst. Aber andererseits war diese ganze Operation, diese Leute, dieser Atombunker oder was es sonst war, nur für ihn da. Also war es vielleicht ganz normal, dass er jetzt das Kommando übernahm.
„Ja“, bestätigte Miss Ashwood. „Aber etwas ist anders, Jamie. Die Alten wissen von der Tür. Vielleicht haben sie die Kirche absichtlich stehen gelassen, als Falle für dich. Sie sieht verlassen aus, aber wir haben unsere Spione ausgesandt und wissen, dass sie dauerhaft umstellt ist. Es sind Gestaltwechsler in London unterwegs … und Schlimmeres. Sie lauern dort schon eine Ewigkeit in der Hoffnung, dass du von Hongkong aus durch diese Tür kommst. Und sie werden auch jetzt noch da sein.“
„Sie glauben, dass Jamie tot ist“, mischte sich der Reisende ein.
„Das stimmt, Graham. Und das kann uns nützlich sein. Vielleicht lässt ihre
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