Horror Factory 05 - - Necroversum: Der Riss
Rücken verschmutzt war, als hätte sie längere Zeit auf dem Rücken gelegen. Der Hauch eines vertrauten Geruchs stieg ihm in die Nase, und er runzelte die Stirn, für einen Moment verwirrt. Er konnte den Geruch nicht sofort einordnen, obwohl er ihn kannte.
Erst als er wieder im Wagen saß und Gas gab, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Sie roch wie er. Nach Fäulnis und Tod. Es war nur ein Hauch, so wie auch er seine eigene Duftmarke nur in der Nase hatte, weil er sich ein paar Stunden zuvor mit der Wasserleiche beschäftigt hatte.
Offensichtlich war auch die junge Frau mit dem Tod in Berührung gekommen.
Fragte sich nur, ob sie ihn auch verursacht hatte.
4
Mona
8. August 2011
« Ich könnte dir deine Überlebenschancen ausrechnen, aber du wärst nicht begeistert. «
– Per Anhalter durch die Galaxis
»Lass mich aussteigen! Bitte!«
»Hier? Mitten in der Wildnis? Du spinnst wohl. Außerdem ist es stockdunkel draußen. Wenn dir was passiert, mach ich mir Vorwürfe. Oder noch schlimmer, die Bullen machen mich dafür verantwortlich.«
Es passte Mona nicht, wie er das Wort »Bullen« aussprach. Es hörte sich an, als hätte er schon öfters mit der Polizei zu tun gehabt. Er grinste überheblich und würdigte sie keines Blickes, sondern schaute stur geradeaus. Wenigstens konzentrierte er sich auf die Straße.
»Scheißnebel«, schimpfte er, griff blind neben sich in das Ablagefach und nahm wieder eine Dose Bier heraus. Mona hatte keine Ahnung, wie viel er insgesamt schon intus hatte. Es war die dritte, seitdem sie zugestiegen war. Aber wahrscheinlich hatte er vorher schon ziemlich getankt. Die leeren Bierdosen, die hinten im Wagen schepperten, sprachen eine deutliche Sprache.
Mona ekelte sich vor dem Alkoholdunst, der sie mittlerweile umhüllte wie eine stinkende Wolke. Hätte sie seine Fahne gleich beim Einsteigen bemerkt, wäre sie gar nicht erst mitgefahren. Aber der Duftbaum Marke Moschus hatte anfangs sämtliche anderen Gerüche überdeckt. Außerdem hatte der Typ einen vertrauenerweckenden Eindruck gemacht.
Zu Anfang.
Scheiße, scheiße, scheiße …
Aber sie war selbst Schuld. Den ersten Fehler hatte sie gemacht, als sie den Anhalterdaumen rausgestreckt hatte, ohne nachzudenken. Bei einem Mercedes oder BMW wäre ihr das nie im Leben eingefallen. Die Typen, die solche Nobelmarken bevorzugten, kannte sie zur Genüge. Oder die Opelfahrer. Wahrscheinlich saß hinter dem Steuer ein notgeiler braver Ehemann, der mal eben mit seiner Kutsche Zigaretten holen war.
Wenn überhaupt, hätte sie sich einem Volvofahrer anvertraut. Die waren zwar bieder, aber verlässlich. Meistens wurden sie von Deutschlehrern oder Skandinavien-Fans gefahren. Mona kannte sich da aus. Als Psychologiestudentin im sechsten Semester war ihr als Thema ihrer Bachelorarbeit ausgerechnet »Automobile und welche Männertypen auf sie abfahren« aufgebrummt worden.
Okay, sie hatte den Burschen einzig und allein aus dem Grund angehalten, weil sie den Pick-up geil fand. Sie war noch nie in so einem Ding gefahren. Es interessierte sie, ob der Fahrer genauso cool war wie sein Gefährt. Außerdem taten ihr die Füße weh, und bis zur Bushaltestelle waren es bestimmt noch zwei Kilometer.
Zunächst glaubte sie, dass der Typ sie ignorierte. Erst in letzter Sekunde trat sie einen Schritt zurück. Er raste so nahe an ihr vorbei, dass sie den Fahrtwind spürte wie ein herabsausendes Messer.
Noch mal Glück gehabt.
Mona atmete tief durch und rief ihm ein von Herzen kommendes »Scheißkerl!« hinterher. Natürlich nur, weil sie sicher war, dass er es niemals hören würde. Sie schämte sich auch so schon dafür.
Plötzlich leuchteten die Bremslichter auf. Wie zwei feurige Augen glühten sie in der Abenddämmerung.
Mona zögerte. War es die Sache überhaupt wert? Was, wenn ein durchgeknallter Rocker hinter dem Steuer hing? Oder gleich eine ganze Gang? Der Pick-up war so schnell an ihr vorbeigerast, dass sie hinter der abgedunkelten Windschutzscheibe nichts hatte erkennen können.
Ein Hupen riss Mona aus ihren Gedanken. Der Fahrer schien es auch noch eilig zu haben.
Plötzlich fielen ihr sämtliche Warnungen ihrer Mutter und ihrer Oma Agathe ein. Seit sie elf oder zwölf war, hatten die beiden ihr immer wieder eingeschärft, niemals in ein fremdes Auto zu steigen und per Anhalter zu fahren.
Aber sie war kein junges Mädchen mehr. Die Pubertät hatte sie überstanden, ohne auch nur einmal in Gefahr geraten zu sein. Auch ihre
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