Horror Factory 05 - - Necroversum: Der Riss
»Problemphase«, als sie jeden Tag in die Disco gefahren war und Hasch geraucht hatte, war ohne nennenswerte Blessuren vorübergegangen – zur Überraschung ihrer Mutter und Oma Agathas.
Wenn die beiden wüssten, was sie sonst alles erlebt hatte! Mona musste grinsen, nahm ihren ganzen Mut zusammen und machte beherzt den ersten Schritt auf den Pick-up zu.
Doch je näher sie dem Wagen kam, desto stärker warnte sie ihr Bauchgefühl, dass sie drauf und dran war, einen Fehler zu machen.
Ihr war nie etwas passiert, weil sie auf ihre Mutter und Oma Agathe gehört hatte.
Bis jetzt.
Der Fahrer ließ den Motor im Leerlauf aufheulen. Eine Abgaswolke verpestete die Luft. Mona musste husten. Noch konnte sie umkehren …
Dann hatte sie den Pick-up erreicht. Die Beifahrertür wurde von innen aufgestoßen, völlig lautlos. Mehr denn je hatte Mona das Gefühl, bei klarem Verstand in eine Falle zu tappen. Wenn sie erst im Wagen saß, würde die Falle zuschnappen.
»Willst du Wurzeln schlagen, oder möchtest du mit?«, fragte eine Stimme. Sie klang gelangweilt. Nicht so, als würde der Fahrer nur darauf warten, über sie herzufallen.
»Ich …«
»Steig schon ein, deine Lebensgeschichte kannst du mir unterwegs erzählen.«
Er grinste sie an, und auch Mona musste plötzlich grinsen. Der Typ gefiel ihr. Sie schätzte ihn auf dreißig, kurze Haare, Dreitagebart, kantiges, männliches Gesicht. Er trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Ganz unspektakulär. Eigentlich genau die Sorte Mann, die ihr gefiel und die sie bisher nie getroffen hatte, weder auf irgendeiner Mensaparty noch in irgendwelchen Chatrooms.
Nur eines gefiel ihr nicht: der Moschusgestank, der sie wie ein brünstiger Ochse ansprang und ihr im ersten Moment den Atem nahm.
Mona stieg ein und versank beinahe in dem tiefen Ledersitz. Sie kam sich klein und schutzlos vor. Dennoch erregte sie der Gedanke, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.
»Mach die Tür zu«, sagte der Fahrer. Es klang nicht sehr freundlich.
Mona beugte sich zur Seite und musste beide Hände zu Hilfe nehmen, um die Tür zu schließen.
»Na also, geht doch.« Der Mann grinste und gab Gas.
Zunächst dachte Mona, er würde einfach nur fahren und schweigen, aber plötzlich wurde er gesprächig. Gleichzeitig griff er zur ersten Bierdose.
»Wie heißt du?«
»Mona. Und du?«
»Werner.«
Werner klang echt bescheuert. Aber das sagte sie ihm natürlich nicht.
Er öffnete die Dose mit einer geübten Handbewegung, trank einen tiefen Schluck und hielt sie ihr hin. »Hier.«
»Nein, danke, ich trinke kein Bier.«
»Was anderes kann ich dir leider nicht bieten. Wo willst du überhaupt hin?«
Eigentlich hatte sie gehofft, dass er sie bis zum nächsten Bahnhof oder vielleicht sogar bis nach Hamburg mitnehmen würde. Doch der Bierdunst, der von ihm ausging, ließ sie ihre Entscheidung rasch revidieren. »Bis zur Bushaltestelle.«
Er rülpste. »Hast du sie nicht mehr alle? Glaubst du, ich habe angehalten, damit ich dich einen Kilometer weiter wieder absetze?« Er warf ihr einen Seitenblick zu und betrachtete ihre braun gebrannten Beine, die sie augenblicklich zusammenpresste, als sie seinen Blick bemerkte.
Er spürte ihre Angst. Vielleicht spielte er auch nur damit. Jedenfalls setzte er wieder das Grinsen auf, das ihr so gefallen hatte.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Mona. Ich falle keine Frauen an. Außerdem würde meine Freundin mir da was ganz anderes erzählen.«
Er hatte eine Freundin! Na also. Sie entspannte sich.
»Weißt du, was ich von Beruf bin?«, wechselte er unvermittelt das Thema.
»Nö.«
»Rate mal.«
»Äh …« Mona überlegte wirklich. Die meisten Berufe, auf die sie tippte, würden ihn wahrscheinlich beleidigen. Wie ein Feingeist sah er nicht gerade aus.
Und leider benahm er sich auch nicht so.
Aber das war wieder eine ganz andere Geschichte.
5
Syriah
11. Februar, 12:12 Uhr
»Der Zeichen werden viele sein! « Das Antlitz des Fremden verfinsterte sich. »Gewaltige Flutwellen werden die Küsten erschüttern, und in einem Teil der Welt verbrennen sengende Feuer alles Leben, während im Rest ein ewiger Winter hereinbricht. Die Menschen jedoch werden diese Zeichen nicht sehen, denn ein fortwährendes Klingen und Singen wird in der Luft sein und ihre Sinne verwirren, und ihre Häuser werden mit flirrenden Botschaften überzogen sein. «
»So gibt es also gar keine Hoffnung? « , fragte ich.
– Aus den Prophezeiungen des Nicodemus von Brügge, 1444
Noch während
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