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Horror Factory 10 - Rachegeist

Horror Factory 10 - Rachegeist

Titel: Horror Factory 10 - Rachegeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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vorbeirauscht.
    Pechvögel.
    Abgestürzte.
    Veteranen.
    Die evakuierten Opfer von Katrina, die damals aus New Orleans hergebracht wurden.
    Rumtreiber.
    Junkies.
    Egal, ob Weißer, Schwarzer oder Hispano.
    Ob hier geboren oder zugezogen.
    Ob legal oder illegal im Land.
    Wer durchs soziale Netz fällt, schlägt hier auf.
    Kracht hart auf den Boden der Tatsachen.
    Früher hätte ich mich nie getraut, hierherzukommen.
    Seit den Achtzigern wird die Gegend von Drogen überschwemmt.
    Heute ist es in erster Linie Heroin.
    Die Gefallenen der modernen Gesellschaft hängen an der Nadel.
    Wenn nicht, saufen sie.
    Oder rauchen Crack oder Gras.
    Die meisten hier sind also berauscht oder benebelt.
    Kaum Herr ihrer Sinne.
    Nicht im Geringsten Meister über ihr Schicksal.
    Ich rechne mir daher alles in allem ganz gute Chancen aus, dass einer der armen Sünder in der Gosse kaputt und schwach genug ist, um in seinen Körper zu fahren.
    Dass er quasi schon am Rand entlangtaumelt.
    Ob mir das dann weiterhilft, werde ich ja sehen.
    Aufmerksam schwebe ich durch die dreckigen Seitenstraßen und schmutzigen Hinterhöfe.
    Durch das Skelett des Viertels, an dem die Aasfresser nagen.
    Jedes noch so widerliche Lumpenbündel ist von Interesse für mich und wird begutachtet.
    Wer weiß schon, was sich darunter verbirgt?
    Welche abgestürzte Kreatur sich in dem Spalt zwischen einem Müllcontainer und einer rohen Wand verkrochen hat.
    Welcher menschliche Misthaufen unter einer Plane und einem vom Regen durchweichten Karton vor sich hin verrottet.
    Den Gestank nehme ich ja zum Glück nicht mehr wahr.
    Das Elend sehr wohl.
    Überall kauern menschliche Wracks.
    Sie alle sinken unaufhörlich dem Grund entgegen.
    Ihre Batterien sind ziemlich leer.
    Doch im Sterben liegt keiner.
    Auch wenn mir hier und da ein Husten oder ein fiebriges Stöhnen Hoffnung macht.
    Ich werde jedes Mal enttäuscht.
    Es ist zum Verrücktwerden.
    Geradezu paradox.
    In der Folge setze ich meine Tour durchs Elend fort.
    Wie ein Hai gleite ich durch das trübe Riff aus zivilisatorischem und menschlichem Zerfall.
    Die Nacht und meine Suche schreiten im Gleichschritt voran.
    Die Straßen werden von Dealern und Prostituierten in Besitz genommen.
    Schade, dass es keine Gang-Schießerei oder eine kleine Messerstecherei gibt.
    Ist wohl wie beim Fischen.
    Mal beißen sie, mal nicht.
    Es dauert nicht lange, bis ich ins Zweifeln komme, ob mein Ausflug ins Elend wirklich eine so gute Idee gewesen ist.
    Verschwende ich erneut meine Zeit?
    Und überhaupt, wie viel Zeit bleibt mir noch?
    Das permanente Ziehen im Hintergrund scheint stärker geworden zu sein, was ein Hinweis sein könnte.
    Andererseits, was soll ich sonst tun?
    Was kann ich sonst tun?
    Mir bleiben nur Strohhalme.
    Auch wenn das hier zumeist eher Nadeln sind.
    Da explodiert ohne Vorwarnung ein Haufen Müllsäcke zu meiner Linken und spuckt neben einer Handvoll erschrocken quiekender Ratten einen ausgemergelten Irren aus, der über den Müll stolpert.
    Er rudert mit den knochigen Armen und rennt genau auf mich zu.
    Ein dreckiger, zerschlitzter Trenchcoat hängt von seiner ausgemergelten Gestalt.
    Geifer tropft von seinem wild wuchernden Schiffsbrüchigen-Bart.
    Er sieht aus wie eine wahnsinnige Vogelscheuche.
    »Engel!«, krächzt er und deutet zitternd auf mich.
    Dann fällt er vor mir auf die Knie.
    »Nimm mich mit! Bitte!«
    Ich schaue ihn an.
    »Kannst du mich sehen?«, frage ich skeptisch.
    »Bitte!«, wiederholt er inbrünstig. »Nimm mich mit!«
    »Sag mir erst mal, ob du mich sehen kannst, Crusoe.«
    »Bitte! Verlass mich nicht!«
    Ich schwebe an Ort und Stelle.
    Von Verlassen kann keine Rede sein.
    Der Verrückte wuchtet sein Klappergestell indessen schon wieder nach oben und wankt der Öffnung der Gasse entgegen.
    »Ein Engel!«, ruft er wie ein Prophet und taumelt aus der Gasse. »Ein Engel! Ein Engel!«
*
    Crusoe merkt, dass ich ihn verfolge.
    »Lass mich in Ruhe!«, kreischt er immer wieder panisch, wenn er nicht gerade hinfällt.
    Von seiner Begeisterung, einen Engel gesehen zu haben, ist kaum noch etwas übrig.
    Trotzdem bleibe ich ihm auf den Fersen.
    Ich lasse mich etwas zurückfallen und nutze meine neue Form, um ihm im Verborgenen zu folgen.
    Es erstaunt mich, wie schnell ich mich scheinbar daran gewöhnt habe, nicht gesehen zu werden – und wie befremdlich es nun ist, darauf zu achten, unentdeckt zu bleiben.
    Zum Glück sind die Vorteile auf meiner Seite.
    Düsternis.
    Geschwindigkeit.
    Deckung, aus der ich

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