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Horror Factory 13 - Epitaph

Horror Factory 13 - Epitaph

Titel: Horror Factory 13 - Epitaph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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nicht endlich verraten, welchem Zweck diese Sitzungen wirklich dienen?«, fragte ich, als die Asiatin außer Hörweite war.
    »Der Rekonvaleszenz.« Naumann drückte seine Zigarre aus.
    »Bullshit!«
    »Was glaubst du denn?«
    »Dass Sie Ihre Hände nach etwas ausstrecken, das Ihnen nicht gebührt.« Ich taxierte ihn. »Und dass Sie sich in Bereiche vorwagen, die den Toten vorbehalten bleiben sollen. Sie spielen mit einem Feuer, das Sie nicht löschen können.«
    Naumann verzog süffisant die Lippen. »Nun, genau genommen strecke ich nicht meine Hände aus, sondern deine.«
    »Wie viele Versuchskaninchen haben vor mir in diesem Sessel gelegen?«, wollte ich wissen. »Hatten Sie jemals den Mumm, den Transit selbst durchzuführen?«
    »Ich kann nicht barfuß über das Meer schreiten, Daniel. Ich bin ein Forschungsreisender, der die Terra incognita durch ein Teleskop sieht, aber kein Messias. Auch Kolumbus benötigte die Santa Maria , um den Ozean zu überqueren. Ein Schiff ist nicht mehr als eine kleine schwimmende Brücke. Heute bist du das Schiff und der Epitaph der Wind in deinen Segeln. Ich werde die Brücke überqueren, sobald du sie errichtet hast und für ihre Stabilität bürgen kannst.«
    » Was tun wir hier , Naumann?«
    »Das würdest du nicht verstehen …« Zum ersten Mal gelang es mir, seinem Blick standzuhalten. Der Direktor seufzte tief, dann sagte er: »Na gut, Daniel. Es gab eine Zeit, in der Menschen auf verschiedenen Kontinenten lebten, ohne miteinander sprechen zu können. Jahrhundertelang funktionierte die Interaktion zwischen der Alten und Neuen Welt nur in Intervallen von Wochen oder gar Monaten, je nachdem, wie lange ein Schiff für die Fahrt über den Ozean benötigte. Dann, vor kaum zweihundert Jahren, konstruierte Samuel Morse den ersten elektromagnetischen Telegrafen. Vor nicht einmal einhundert Jahren gab es bereits einen transatlantischen Telefondienst, und Menschen konnten sich über Tausende von Kilometern Entfernung erstmals ohne Zeitverzögerung miteinander unterhalten. Die Welt begann zusammenzuwachsen.
    Mittlerweile kommunizieren und interagieren wir in Lichtgeschwindigkeit mit Milliarden von Kilometern entfernten Raumsonden, etwas, das Kolumbus sich nie hätte träumen lassen – doch selbst heute bleibt uns eine Form des Informationsaustausches, die zahllosen Menschen so viel bedeuten würde, noch immer versagt. Wieder sind es Familienmitglieder und Freunde, deren Stimmen uns fehlen, Verwandte und Bekannte – aber in diesem Fall stammen sie nicht von den Lebenden …«
    Als die Assistentin mit den Medikamenten zurückkehrte, erhob sich Naumann und begann auf dem Podium auf und ab zu wandern.  »Eine Seele ist nicht mehr als ein astrales Informationsmuster«, sprach er dabei. »Eine Bewusstseinsblaupause. Aus dem Astraldepot, in das sie nach dem Tod ihrer fleischlichen Hülle eingelagert wird, dringen niemals Stimmen zu uns herüber. Eine Seele kann ebenso wenig gehört werden wie ein Rufender, der am Ufer der Neuen Welt steht und über den Ozean schreit, in der Hoffnung, jemand in der Alten Welt könne ihn vernehmen. All ihre Erfahrung ist für uns verloren, ihr Wissen wertlos geworden – eine unfassbare Verschwendung von Ressourcen und ein unentschuldbarer Widerspruch im Produktionsmanagement des göttlichen Ingenieurbüros. Es ist, als würde man täglich die Seelen Abertausender Verstorbener am Paradies vorbei in ein schwarzes Loch schießen.
    Der Epitaph verkörpert das, was Morses Telegraf und Bells Telefon in den vergangenen Jahrhunderten für uns waren: Einen Quantensprung der Kommunikation zwischen zwei Welten, die zuvor unerreichbar fern schienen. Und wenn die Naraya- Sphäre eine Dimension ist, in der Seelen eingelagert und gespeichert werden, dann muss folglich auch etwas existieren, dessen Zweck sie erfüllt.
    Was glaubst du, wie ein Markt boomen würde, wenn man auf Erden das Monopol göttlicher Weisheit besitzt und exklusives Wissen in seiner reinsten Form anzubieten vermag? Mittels einer Maschine, die sämtliche Probleme löst und unsere Sprache spricht – und ihre Antworten aus einer Quelle bezieht, die allen Kritikern das Maul stopft?«
    »Sie wollen das Jenseits melken?«, fragte ich fassungslos.
    Naumann bekam einen Lachanfall, der augenblicklich wieder zu einer Hustenattacke führte. »Ja, das ist eine schöne Allegorie«, sagte er, nachdem er sein Asthmaspray inhaliert hatte. »Was du Jenseits nennst, ist ein äonenalter Speicher, der das Wissen der

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