Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer
dass es gar nicht echt sein konnte.
»Aber was …«, begann sie, und wieder schnippte das Mädchen mit den Fingern. Sofort verstummte sie. Und sie konnte sich nicht mehr bewegen.
»Das konntest du das letzte Mal aber noch nicht«, sagte das Kind, als würde es mit einem Unsichtbaren reden.
Und noch schlimmer als dieser ganze Irrsinn war, dass dieser Unsichtbare tatsächlich antwortete. Allerdings kam es Christiane so vor, als würde sie die Worte nicht mit ihren Ohren hören, sondern direkt in ihrem Kopf. Mitten in ihrem Verstand. »Ich war schwach«, flüsterte eine Stimme. »Aber mit jedem Tropfen Blut werde ich stärker.«
Blut? Was hatte das zu bedeuten? Christiane wurde schmerzlich klar, dass das alles tödlich ernst war.
Aber nein, nein, das war doch nur ein verrückter Traum. Sie schlief, garantiert. Die elenden Schmerzen brachten ihr Unterbewusstsein dazu, Kapriolen zu schlagen.
»Darum also willst du sie töten?«, fragte das Mädchen. Worte, die so überhaupt nicht zu ihr passten.
Christiane wollte schreien, aufspringen, fliehen … irgendetwas. Aber sie konnte nicht. Keinen einzigen Muskel konnte sie mehr rühren.
»Ja, sicher«, wisperte die Stimme. »Ich habe dich hierher gebracht und alles mit Bedacht ausgewählt. Es ist die perfekte Gegend der Stadt. Keiner wird sich darum kümmern, was in der Wohnung vor sich geht, bis es zu Ende ist. Ich brauche deine Hilfe jetzt nicht mehr.«
Im nächsten Moment wurden die Augen des Mädchens erst rot, dann immer dunkler, bis sie schwarze, lichtlose Seen bildeten. Es bewegte sich auch ganz anders. Zielstrebiger. Es holte …
… etwas …
(den Tod)
… aus dem Rucksack. Ein bizarres Gestänge von Metall und Schläuchen.
»Wie schön du bist«, hörte Christiane das Wispern in ihrem Kopf. »Deine Wangen so herrlich gerötet. Dein Blut wird mir wertvolle Dienste leisten. Du stirbst nicht umsonst.«
Eine der Nadeln näherte sich ihrem Hals. Christiane wollte schreien, verkrampfte sich, und als sich das Etwas in ihre Halsschlagader bohrte, entleerte sich ihre Blase.
*
Und irgendwo, ganz weit unten, wimmerte die besessene Susi vor Qual und Pein, weil sie alles mit ansehen musste. Das echte Mädchen lag schon lange unter einer dünnen Schicht des Poltergeistes verborgen, der über das durch Blut verdorbene Bild in sie hineingefahren war.
Zumindest nannte sie ihn selbst so, Poltergeist; ein besseres Wort für das Wesen wusste sie nicht. Seit Michis Tod war Susi fast frei gewesen, nur ein bisschen von der bösen Kreatur gelenkt, gerade so viel, dass es nicht über das sprechen konnte, was geschehen war. Doch dann, vor ein paar Stunden, war der Geist wieder völlig aus dem Messer in sie hineingefahren und hatte sie hinweggefegt, irgendwohin, sie wusste und verstand es selbst nicht.
Metall durchbohrte die Haut. Blut spritzte Susi ins Gesicht, ein Tropfen rann auf die Oberlippe. Sie – oder das Ding in ihr – leckte ihn hinweg und schmatzte dabei: eine perverse Lust.
Die Frau am Boden starrte aus panischen Augen, in denen der Wahnsinn flackerte, auf das Mädchen, das sie auf grausame, unwirkliche Weise tötete. Eine Pumpe trat in Aktion und zog das Blut aus den Adern hinein in die biegsamen Schläuche, wie in einem Krankenhaus.
Etwas Blut ging aber auch daneben; es rann unter den Halsausschnitt des Pullovers und verschwand.
Was damit geschah, wusste Susi nicht. Sie wollte es auch gar nicht wissen. Sie wollte nur eins: selbst sterben.
Aber das ließ der Poltergeist nicht zu.
6
Ich hab sie umge …
Wie Heiko den Tag hinter sich brachte, wusste er selbst nicht. Er versuchte zu arbeiten, kam aber mehr als schleppend voran und polierte den Bilderrahmen seiner aktuellen Restaurationsarbeit auf Hochglanz, weil das ein Teil des Auftrags war, bei dem er nicht nachdenken musste.
Irgendwann kam Susi von der Schule zurück. Wie groß doch ihr Rucksack war; es war eine Frechheit, welches Gewicht die Schüler heutzutage mit sich herumschleppen mussten. Immerhin musste sie ein paar hundert Meter durch den Waldrand gehen, bis sie zur Bushaltestelle kam. Sie hatte darüber aber noch nie geklagt.
Mit Charly sprach er bis zum Nachmittag kein Wort. Die Stimmung sank mal wieder auf den Nullpunkt. Noch ein bisschen mehr, und die Luft zwischen ihnen würde gefrieren. So konnte das nicht weitergehen, das war ihm klar, aber er fand nicht die Kraft, irgendetwas dagegen zu tun. Vielleicht morgen. Oder in einer Woche.
Irgendwann jedoch klopfte sie an die Tür seines
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