Horror-Hochzeit
ein anderes Gesicht bekommen, und ich mußte auch Bill Conolly warnen.
Mit diesem Vorsatz machte ich mich wieder auf den Weg. So schnell wie möglich wollte ich zum Schloß, denn das Geheimnis mußte gelüftet und der heimtückische Mord gesühnt werden Auf die Umgebung achtete ich kaum noch und sah auch nicht das glitzernde Augenpaar, das meinen Weg lauernd verfolgte…
***
Rosa rieb ihre knochigen Hände! Eigentlich hatte alles gut geklappt, bis eben auf diesen Neugierigen, der ihr gefolgt war und leider die Leiche entdeckt hatte. Wer war dieser Mann?
Rosa hatte ihn noch nie gesehen. Dennoch war sie sicher, daß von ihm eine nicht zu unterschätzende Gefahr ausging. Mit anderen Reportern und Fotografen wollte sie ihn nicht in einen Topf werfen Dieser Mann war anders.
Sie beobachtete ihn, und ihre Hand hielt das Messer, mit dem sie so gut umgehen konnte. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, das Messer in den Rücken des Mannes zu schleudern, doch die Entfernung war zu groß. Und geräuschlos konnte sie sich ihm nicht nähern. Sie wollte ihn laufenlassen. Nach diesem Entschluß versuchte sie, sich in die Gedankengänge des Fremden hineinzuversetzen. Was konnte der Mann jetzt unternehmen?
Zurück zum Schloß laufen. Natürlich, das würde er tun. Er würde Alarm schlagen, dann war der Skandal perfekt Ein Skandal, der Rosa zwar nicht weiter störte, der aber gleichzeitig zu früh kommen würde, was ihr überhaupt nicht paßte.
Da hätte sie doch versuchen sollen, ihn umzubringen Jetzt war es leider zu spät, sein Vorsprung hatte sich zu sehr vergrößert. Rosa löste sich aus ihrer Deckung. Zum Schloß führte der linke Weg sie aber schlug den entgegengesetzten ein denn sie wollte nicht zum Schloß, sondern zum Grabmal.
Jetzt zählte jede Sekunde.
Wer Rosa sah, hätte ihr Alter mindestens auf 60 Jahre geschätzt und wäre überrascht davon gewesen wie schnell sie laufen konnte. Da stand sie einer Jüngeren in nichts nach, denn sie umging geschickt die Büsche, Baumstämme und sperrigen Zweige. Man merkte, daß sie sich gut auskannte.
Der Wald wurde lichter. Immer stärker traten die Bäume zurück, sie bildeten nur mehr vereinzelte Gruppen. Rosa erreichte den Weg, der sie direkt zum Grabmal führte, aus dem sie zuvor den Toten herausgeschafft hatte.
Bevor sie die Stufen des Grabmals hochschritt, schaute sie sich kurz um. Kein Verfolger in Sicht!
Sie kicherte hohl. Wie sollte dieser Typ auch auf die Idee kommen daß sie nicht den Weg zurück zum Schloß, sondern den genau entgegengesetzten eingeschlagen hatte?
Ja, sie war schon schlau.
Einen Schlüssel besaß sie, schloß auf und stemmte die schwere Tür der Grabkammer nach innen Wieder knarrte es in den Angeln, und Rosa verzog das Gesicht, weil sie dieses Geräusch einfach als störend empfand. Leider konnte sie es nicht abstellen.
In Reih und Glied standen die Särge. Rosa nahm den Mittelgang und wurde von der unheimlichen und bedrückenden Atmosphäre der Gruft verschluckt. Hier lauerte die Stille des Todes. Wehe dem, der die Ruhe der Toten störte.
Rosa hatte sie gestört, denn sie hörte zu den wenigen Personen, die es durften.
Ihr Ziel lag auf der Hand.
Es war der offene Sarg am Ende der Gruft!
Noch immer stand der Deckel hochkant, und Rosa konnte bequem in das Unterteil hineinschauen.
»Mein Freund!« flüsterte sie, wobei sie die Lippen wie zum Kuß spitzte.
»Mein guter Freund. Ich freue mich, daß du hier liegst und es den anderen zeigen wirst. Niemand weiß von dir, nur wenige Eingeweihte. Und niemand weiß, daß heute dein großer Tag ist. Nicht der Tag des anderen, sondern deiner. Lange haben wir warten müssen, nun hat die Hölle ein Zeichen gegeben Deshalb bitte ich dich, mein Lieber, steh auf! Verlasse diese unwürdige Stätte und geh dorthin, wo du hingehörst!«
Der Tote blieb so. Steif und starr lag er auf dem Rücken. Das von der Decke fallende bläuliche Licht streifte ihn nur, und nichts wies darauf hin, daß er die Worte der Frau vernommen und auch verstanden hatte. Rosa griff über den Sargrand hinweg und faßte nach der Hand des Toten. Sie hob den Arm an führte sie in Richtung ihres Gesichts und preßte den kalten Händerücken gegen ihre warme Wange.
Ein Nichteingeweihter hätte sich kaum einen Reim auf dieses Bild machen können. Vielleicht hätte er angenommen, eine Mutter würde ihren Sohn begrüßen oder Abschied nehmen, doch diese Szene war angereichert mit einem subtilen Horror, wobei er deshalb so
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