Horror-Hochzeit
Ihren Körper bewegte sie nicht. Dafür die Augen, und die rollten förmlich in den Höhlen. Sie schaute einmal nach links, dann wieder nach rechts. Nur selten hielt sie den Blick in eine Richtung, weil sie unbedingt alles mitbekommen wollte. In ihrem Gesicht regte sich kein Muskel. Mir fielen die scharfen Falten und Linien in der Haut auf. Es blieb zudem nicht aus, daß sich auch unsere Blicke trafen Als dies geschah, stellte ich zum erstenmal eine Reaktion bei ihr fest.
Unmerklich zuckte die Frau zusammen!
Ich hatte schon sehr genau hinschauen müssen, um dies feststellen zu können.
Kannte die Frau mich?
Für Sekunden schien es nur uns beide zu geben Ohne mit der Fremden auch nur ein Wort gesprochen zu haben, wußte ich, daß ich mir eine Feindin geschaffen hatte.
»Sie kommen!«
Dieser Ruf unterbrach meine Gedanken und riß mich aus der Starre. Augenblicklich setzte sich die Dienerschaft in Bewegung, um zu beiden Seiten des roten Teppichs Aufstellung zu nehmen, damit sie ihre Blüten und Blumen werfen konnten.
Ich wartete im Hintergrund.
Langsam schwang das Portal auf. Orgelklänge wehten nach draußen. Erste Blitzlichter zuckten. Kameramotoren summten, und das Klicken der Fotoapparate vereinigte sich zu einer nie abreißenden Geräuschkulisse im Hintergrund.
Das frisch vermählte Paar verließ zuerst die Kirche. Dahinter drängten sie die Gäste. Verwandte, Bekannte und Freunde, der Geld-und Hochadel.
Beifall erklang. In der kalten Winterluft wirkte er seltsam dünn und verwehte schnell.
Ich konzentrierte mich auf das Hochzeitspaar. Für einen Moment überfiel mich eine schreckliche Vision. Ich sah mich in einer kleinen Kirche stehen und ebenfalls ein Brautpaar beobachten, das Arm in Arm die Kirche verließ, um einen schrecklichen Überfall zu erleben.
Der Schwarze Tod erschien und tötete mit seiner Sense Karin Mallmann, die junge Frau des deutschen Kommissars.
Hier passierte nichts. Die Vermählten verließen völlig normal die Kirche. Sie standen nur im Gewitter der Blitzlichter und wurden mit Blumen regelrecht übergossen.
Ich hatte Zeit, mir die beiden anzuschauen.
Trotz des kalten Wetters hatte der Bräutigam auf einen Mantel verzichtet. Er trug nur seinen Frack, dessen Schöße im leichten Wind wie zwei Schwalbenschwänze flatterten.
Dieser junge Adelige machte auf mich den Eindruck eines Mannes, der genau wußte, wo es langging. Er zeigte keine Spur von Unsicherheit oder Nervosität.
Anders die Braut.
Aus den Presseberichten wußte ich, daß sie aus Frankreich stammte und sehr temperamentvoll sein sollte. Davon merkte ich in diesen Augenblicken nichts. Vielleicht lag es auch an dem langen Kopfschleier, daß ihr Gesicht so schmal wirkte, aber die Ränder unter den Augen hatten sicherlich andere Ursachen.
Auf mich machte sie den Eindruck, als hätte sie noch kurz zuvor geweint. Das taten viele Frauen bei der Hochzeit, deshalb maß ich dieser Tatsache auch keine große Bedeutung bei.
Lucienne drückte sich eng gegen ihren Mann. So scheu, so verschüchtert, und auch ihre Blicke waren voller Nervosität. Man verlangte, daß sie lächelte, doch sie quälte sich dieses Lächeln regelrecht ab. Es wirkte nicht echt.
Das merkten auch die Reporter. Einige Stimmen übertönten das Klicken der Apparate.
»Mensch, die sieht vielleicht aus.«
»Als hätte sie keine Lust«, sagte ein anderer.
»Vielleicht hat er sie gezwungen.«
»No, die ist bestimmt schwanger.«
Diese Worte waren natürlich Wasser auf die Mühlen der Pressegeier. Es fielen noch manch schmutzige Bemerkungen die ich lieber verschweigen möchte.
Hinter uns rollten die Wagen an. Man hatte sich doch entschlossen, den Weg zum Schloß nicht zu Fuß zurückzulegen. Allen voran eine Hochzeitskutsche. Es folgten die Nobelkarossen. Wegen der Kälte trug die Braut eine weiße Pelzjacke, die sicherlich ein kleines Vermögen gekostet hatte.
Man stellte sich auf zum offiziellen Foto. Auch die Kinder, die die lange Schleppe getragen hatten, durften bleiben. Hinter dem Paar drängten sich die Gäste in einem Halbkreis zusammen.
Dieses Bild würde wieder durch sämtliche Gazetten geistern. Nur war das Wetter eben nicht ideal. Die meisten Gäste zitterten vor Kälte. Einige klapperten sogar mit den Zähnen.
Der Earl of Durham lächelte wie ein Filmstar. Er genoß den Auftritt, und auch der Gesichtsausdruck seiner jungen Frau änderte sich allmählich. Es wurde gelöster, ein Beweis, daß sie sich inzwischen wohler fühlte. Von Sheila und
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