Horror-Trip im Luxusauto
hypnotisiert in den Außenspiegel, wurde hinterrücks angehupt,
verlor den Überblick für Sekunden — und war dann drin im dicksten Verkehr.
Ausflügler in Scharen. Nach Süden, zur
Sonne, zur noch sonnigeren Sonne. Alle überholten ihn, auch ein Pulk Motorräder
donnerte vorbei, behelmte Gestalten auf Maschinen so breit wie Kleinwagen.
120 km/h. Therne sah auf den Tacho, erschrak und war dann ganz froh. Na also, es ging ja. Und der
Mercedes lag so ruhig wie ein Schlachtschiff im Flachwasser.
Heute abend, dachte Therne, bin ich in
der Toskana. Feine Sache. Übernachten beim Chef — das stärkt mein Ansehen in
der Firma. Und die Wertheyms schätzen meine zuverlässige Einsatzbereitschaft. O
ja, ich lebe für die Firma.
135 km/h.
Vor ihm beschrieb die Autobahn — immer
noch im Stadtkreisgebiet — eine sanfte Kurve. Wuchtige Brückenpfeiler wuchsen
aus den grünen Hängen rechts und links. Oben die Brücke. Mit Radlern. Und
Passanten, die auf die rasenden Wagen hinabschauten. Kanaldeckelwerfer? Nein,
keine.
Therne lächelte.
Dann durchfuhr ihn der Schreck wie ein
Stromschlag.
Was war los mit dem Wagen?
Blockierte die Lenkung?
Um Himmels willen! Und links — was war
das? Ein Rad, ein Reifen mit Felge überholte ihn: sein eigenes Hinterrad. Der
Wagen schwamm. Hupkonzert. Warnen sollte ihn das.
Bremsen? Wahnsinn... Aber der Brückenpfeiler... die Lenkung... Aus! Ende! O Gott!
Thernes Blut wurde zu Eis. Beton raste
auf ihn zu. Er schrie. Und bremste dann doch.
Crash!
Metall krachte, Blech knirschte.
Seitlich rammte der Wagen den Brückenpfeiler. Gedröhn erfüllte die Luft. Aber
da war Therne schon bewußtlos.
*
Auch in der Innenstadt schob der
Pfingstsonntag eine ruhige Kugel.
Tim und seine Freunde radelten zum
Polizeipräsidium, wo Gabys Vater heute in den sauren Apfel
,Sonntagsdienst 1 biß. Aber — wer aus Überzeugung
Kriminalkommissar ist, der sieht so was nicht so eng. Weiß man doch: Ganoven
kennen keinen Feierabend. Gerade an Festtagen sind sie besonders aktiv.
Polizeiwagen parkten, fuhren ab, kamen
an. Uniformierte gingen ein und aus. Ein Betrunkener, der sich heftig wehrte,
wurde in den Hof bugsiert, wo ein Zugang ist zu den Arrest- und
Ausnüchterungszellen.
„Ich will... hicks... zu meiner...
hicks... Mama“, schrie er und trat einen Polizeimeister ans Schienbein.
Die TKKG-Bande stellte ihre Drahtesel
neben dem Portal an die Wand — unter das Schild: FAHRRÄDER ABSTELLEN VERBOTEN.
Aber Gaby war ja hier fast zu Hause.
„Ich glaube nicht“, meinte Tim, „daß
dein Vater sich langweilt, Pfote. Scheint viel los zu sein.“
„Wir dürfen ihn trotzdem stören“, sagte
sie und warf ihren Pferdeschwanz nach hinten.
Kommissar Glockner saß in seinem Büro,
telefonierte gerade und blätterte mit freier Hand in einem Stoß Akten.
Sie fragten nicht, ob Eintreten erlaubt
sei. Gaby küßte ihren Vater auf die Wange, und die Jungs verteilten sich,
freundlich grinsend, auf die Besucherstühle.
Oskar machte Männchen neben seinem
Herrchen und wurde liebevoll gekrault.
Glockner legte auf. Ein freundlicher
Ausdruck verdrängte den Unmut auf seinem markanten Gesicht.
„Auf der Autobahn“, sagte er, „ist die
Hölle los. Der siebte Rettungshubschrauber-Einsatz seit heute früh. Warum die
Leute alle gleichzeitig in den Urlaub fahren, werde ich nie begreifen. Hallo,
Jungs.“
Sie begrüßten ihn.
Immer noch Oskar tätschelnd, sah er
Gaby an, dann in die übrigen Gesichter.
„Was ist los mit euch? Saure Mienen?“
„Es ist möglich“, erwiderte Gaby, „daß
unsere Urlaubsreise platzt. Die Wertheyms verhalten sich plötzlich so
sonderbar.“ Sie berichtete.
Der Kommissar schob die Brauen
zusammen. „Hört sich schlecht an. Daß Herr Wertheym seine Route ändert, hat
natürlich einen Grund. Und ihr, rechnet mit dem Schlimmsten, dann wird die
Enttäuschung nicht so groß.“
„Ich kann mir keinen Grund vorstellen“,
sagte Tim.
„Nun... vielleicht ist Herr Wertheym
krank geworden. Kann zwar den Flug noch antreten, wäre aber nicht mehr
imstande, mit euch die Autofahrt zu machen. So was könnte ich mir denken.“
„Aber wieso weiß dann Therne nichts?“
fragte Gaby. Glockners Stirnfalte wurde steiler. „Wer ist Therne?“
„Na, der Abteilungsleiter, von dem ich
erzählt habe. Er bringt die Urlaubsklamotten nach Ventilipulciano.“
„Therne... Therne“, Glockner überlegte.
„Den Namen habe ich doch heute schon gehört. Oder gelesen.“
„Baldur Therne“,
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