Hosen runter: Roman (German Edition)
weiter vorzuwagen und sie zum Abschied vielleicht sogar zu umarmen, entschloss mich dann aber doch dagegen. Ich konnte ihre plötzliche Einladung nicht richtig einordnen, und sie schien mir zu distanziert für einen sofortigen Angriff.
»Das bleibt besser unter uns«, stellte sie klar.
»Okay«, sagte ich und lächelte sie an.
Dann eilte ich zum Parkplatz, doch Ralph war schon weg. Mit dieser miesen Petze würde ich bei Gelegenheit noch abrechnen. Er ahnte wohl, dass Ärger mit mir drohte, und hatte sich mit dem Auto feige aus dem Staub gemacht. Aber selbst das war mir in dem Moment egal, denn, wie ich überrascht feststellen musste, dachte ich gerade nicht mit dem Schwanz, sondern mit dem Herzen.
Zu Hause angekommen, befreite ich eine Flasche Pinot Grigio aus dem Kühlschrank, die mir über diese Erkenntnis hinweghelfen würde. Um überhaupt einschlafen zu können, ließ ich sie an diesem Abend nicht mehr los und kuschelte mich eng an sie.
KAPITEL 5
Als ich am nächsten Morgen beim Bäcker in der Schlange stand, drehte sich eine junge Frau, die zwei Personen vor mir stand, mehrfach nach mir um und blickte mich so unvermittelt an, dass ich mich unwillkürlich umsah, ob sie vielleicht jemanden hinter oder neben mir meinte. Sie fixierte mich, als würde sie seit dem Aufstehen ununterbrochen an Sex denken. Obwohl hinter mir drei jüngere Bauarbeiter standen, starrte die Wildfremde mich an. Was mich an ihrer unverhohlenen Anmache am meisten irritierte, war, dass sie große Schellen trug. Ihre Ohrringe sahen aus, als hätte sie sich Angelhaken durch die Ohrläppchen gestochen und ihre Lieblings- CD s drangehängt. Nachdem sie bedient worden war, ging sie an mir vorbei und blickte mich an wie eine Frau, die schon lange keinen Mann mehr im Bett hatte. Als ich kurz darauf aus der Bäckerei kam, war sie verschwunden. Entweder ich war noch nicht ganz wach, oder es war der Hangover, der mich die Welt mit den Augen eines Mäuserichs sehen ließ.
An der Ampel musste ich neben drei jungen Mädchen warten. Sie trugen alle diese auffälligen Ohrringe und kicherten aufgeregt, als würden die tollsten Typen ihrer Klasse am Schultor auf sie warten. Vormittags betratenzwei Kundinnen meinen Laden, die an ihren Ohren ganze Atolle mit sich schleppten. Die Frauen tuschelten unablässig in der Umkleidekabine, kauften kichernd einen Berg heißer Unterwäsche und verabschiedeten sich von mir wie unartige Schulmädchen, die gerade einen Streich ausheckten. Wenig später blieb eine Blondine vor dem Schaufenster stehen. Beim Anblick meiner Dessouskollektion fing sie an, an einem Bügel ihrer Sonnenbrille zu nuckeln – und auch sie trug diese mächtigen Ohrreifen.
Wie kam es, dass ich bis gestern Abend blind gewesen war? Wie hatte ich das übersehen können? Ich kannte mich offensichtlich deutlich schlechter mit Frauen aus als gedacht. Mich überkam das beklemmende Gefühl, dass mir eine weibliche Verführungsstrategie völlig verborgen geblieben war. Wie viele sexwillige Häschen mit Riesenohrringen waren direkt vor meiner Nase durch den Laden gehoppelt, ohne dass ich begriff, was sie mir damit sagen wollten? Wie konnte ich jahrzehntelang einen Geheimcode ignorieren, mit dem Frauen uns unmissverständlich Signale gaben?
Ich beruhigte mich für den Moment damit, dass ich heute Abend bei Nathalie die Chance bekam, selbst herauszufinden, ob die Theorie des Mäuserichs Bestand hatte. Die Geschichte beschäftigte mich so sehr, dass ich den seltsamen Typen fast nicht bemerkt hätte, der sich in seinem beigefarbenen Trenchcoat mit hochgeschlagenem Kragen an mir vorbei in den Laden drückte. Er machte den Eindruck, als würde er einenSexshop betreten und dabei möglichst nicht erkannt werden wollen. Dann drehte er sich zu mir um.
»Hey, Alter!«, begrüßte mich der Immobilienmakler.
»Hey, Chris«, sagte ich und drückte seine Hand, die er mir entgegenstreckte. »Hab dich nicht gleich erkannt. Ich leide noch an den Folgen einer Flasche Pinot.«
»Interessante Location«, antwortete er. »Und eine gute Lage.«
Er war der erste männliche Kunde, an den ich mich erinnern konnte, der seine Nase nicht direkt in die Wäsche steckte, sondern den Raum bewunderte. Nüchtern hätte es mich vielleicht skeptisch gemacht, aber ich wollte, restalkoholisiert wie ich war, nicht zu viel in seinen professionellen Blick hineindeuten.
»Ja, die Gegend kommt«, erklärte ich ihm. »Glücklicherweise habe ich noch einen alten Mietvertrag, sonst müsste
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